Kirchheim

Völlig von der Rolle

Preis Zum 13. Mal in Folge erhält die Kirchheimer Familie Frech einen Prämie für ihr gutes Kinoprogramm. Damit wird der Verdienst um die Filmkultur im Land gewürdigt. Von Monika Riemer

Was heutzutage ein Server mit Projektor erledigt, war früher ein vorsintflutlich anmutendes Gerät. Ulrike Frech (dritte von rech
Was heutzutage ein Server mit Projektor erledigt, war früher ein vorsintflutlich anmutendes Gerät. Ulrike Frech (dritte von rechts) erklärt, wie die Filmvorführer noch bis vor 10 Jahren einen Film einlegen mussten. Foto: Jean-Luc Jacques
Kunststaatssekretärin Petra Olschowski, Eberhard und Ulrike Frech und MFG-Geschäftsführer Carl Bergengruen (von links). Foto: mo
Kunststaatssekretärin Petra Olschowski, Eberhard und Ulrike Frech und MFG-Geschäftsführer Carl Bergengruen (von links). Foto: mor

Auf Burg Stettenfels bei Untergruppenbach wurde im sprichwörtlichen Sinn der rote Teppich ausgerollt. In Berlin, Cannes oder Venedig würden sich nun aus glänzenden Stretch-Limousinen Prominente in teuren Abendkleidern und Anzügen schwingen. Auf der Burg in der Nähe von Heilbronn falten sich ganz normale Menschen aus ganz normalen Autos mit Kennzeichen von Tauberbischofsheim bis Freiburg. Dennoch liegt über der Verleihung der Kinoprogrammprämie durch die MFG Filmförderung Baden-Württemberg ein glamouröser Schimmer. Schließlich soll angemessen anerkannt werden, dass ein anspruchsvolles Kinoprogramm nicht selbstverständlich ist. Zumal es laut Carl Bergengruen, Geschäftsführer der MFG, für Kinoleute nicht einfach ist, derartige Kultur in kleinen Orten zu etablieren.

Die Gäste sind allesamt Kinobetreiber mit einer gehörigen Portion Enthusiasmus. So wie Ulrike und Eberhard Frech, die in Kirchheimer das Tyroler und das Central betreiben. Anders als mit Leidenschaft lässt es sich wohl auch kaum erklären, dass es trotz Internet und DVDs immer noch im ganzen Land Kinos gibt. „Neben Bayern hat Baden-Württemberg die höchste Kinodichte der Republik“, betont Carl Bergengruen. Die sind zum Teil winzig klein, oft mit antiquiertem Charme und dennoch inzwischen mit moderner Technik ausgestattet. Darüber hinaus halten sie dem Massengeschmack der großen Multiplex-Paläste ein kulturell anspruchsvolles Programm entgegen.

Eins steht fest: Die goldenen Zeiten der Lichtspieltheater liegen in der Vergangenheit. Zunächst aber tauscht sich die bunter Schar der Kinobetreiber aus. Man kennt sich und kämpft meist mit den gleichen Schwierigkeiten: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Da geht es um gute Filme, die gar nicht gut gelaufen sind, um das Wetter, das die Leute entweder in die Biergärten oder doch vor die Leinwand getrieben hat. Und immer wieder geht es um die Tatsache, dass der Prophet im eigenen Land nichts zählt. Das kann Ulrike Frech so nicht bestätigen: „Wir haben zwar ein großes Einzugsgebiet, aber auch viele treue Zuschauer aus Kirchheim und Umgebung.“

Die Kunststaatssekretärin des Landes, Petra Olschowski, sagt ausdrücklich: „Kinos sind Orte der Begegnung und nicht der Vereinzelung. Sie verteilen kulturelle Themen übers Land und legen mit der Filmauswahl Standards fest.“

Sie fordert die Kinobetreiber aber auch auf, ihre Häuser anders zu öffnen und die Herausforderung anzunehmen, dass andere Felder dazukommen. „Wenn du überleben willst, musst du etwas über die Filme hinaus anbieten“, bestätigt auch Carl Bergengruen. Beide zeigen sich beeindruckt, welche Vielfalt dabei bereits herrscht: Da gibt es Kinos, die mit Geflüchteten Filme aus deren Herkunftsländer aussuchen und zeigen. Oder sie stellen Filmreihen zusammen, die sich mit sperrigen Themen wie Tod, Krankheiten, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit beschäftigen.

Die Kirchheimer Häuser sind ganz gut im Rennen: So gibt es das AKB-Kino, das sich rund um die Themen Inklusion und Menschen mit Handicap beschäftigt. Regelmäßig gibt es Filmreihen im Rahmen der Frauenkulturtage. Und es werden Filme in Zusammenarbeit mit Amnesty International, dem Weltladen und anderen Gruppierungen gezeigt. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit für Vereine, Firmen oder Privatleute, das Kino für Feiern zu mieten und dabei einen Wunschfilm anzuschauen.

Petra Olschowski erzählt, „dass junge Leute mit einem ganz anderen Sprachverständnis aufwachsen“. Sie selbst schaut Filme gerne in der Originalfassung an. Ulrike Frech plant, wieder öfter Filme auf Französisch, Englisch oder auch Spanisch und Italienisch zu zeigen. Früher hätte sie dafür eine eigene Kopie anfordern müssen. Bei den digitalen Filmen sind die synchronisierte und die originale Fassung beieinander. Damit ist es auch möglich, sehr kurzfristig aktuelle Filme in anderen Sprachen anzubieten. „Ich freue mich, wenn auch Schulen hier mehr auf uns zukommen“, wünscht sich Ulrike Frech.

Kinoprogrammprämie der MFG

Die Kinoprogrammprämie wird jedes Jahr von der MFG (Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg) an Kinobetreiber vergeben, die ein besonderes Kinoprogramm anbieten. Darüber hinaus fördert die MFG kleine Kinos mit Darlehen.

Die Kinobetriebe Frech haben die Prämie zum 13. Mal in Folge bekommen: In diesem Jahr zum ersten Mal für beide Kinos, das Tyroler und das Central.

Die Prämie müssen Frechs direkt im Kino investieren. Laut Eberhard Frech soll das Tyroler eine neue Küche und das Central eine neue Außenreklame erhalten.

Mit dem Spitzenpreis, der mit 15 000 Euro dotiert ist, wurde die Kinothek in Stuttgart-Obertürkheim ausgezeichnet. mor