Kirchheim

Von „in Ordnung“ bis „Müllhalde“

Umfrage Ein sicherer und sauberer Bahnhof in Kirchheim – das ist seit sieben Jahren das Ziel einer Ordnungs- partnerschaft. Was hat sich seither getan? Von Melissa Seitz

Bahnhof unordnung Müll
Bahnhof unordnung Müll

Der Kirchheimer Bahnhof ist Dreh- und Angelpunkt für Berufspendler und Reisende. Mit der S-Bahn nach Stuttgart, mit dem Bus ins Nürtinger Krankenhaus oder mit der Regionalbahn ins Lenninger Tal - hier ist immer was los. Um für einen sichereren und sauberen Bahnhof zu sorgen, entstand vor sieben Jahren eine Ordnungspartnerschaft zwischen der Deutschen Bahn, der Landes- und Bundespolizei und der Stadt Kirchheim.

Ziel der Partnerschaft ist es, sich regelmäßig über die Situation am Bahnhof auszutauschen. Marcus Deger von der Stadtverwaltung Kirchheim erklärt: „Alle drei Partner treffen sich einmal im Jahr.“ Sie sprechen über die Probleme und suchen nach Lösungen. „Sollte zum Beispiel vermehrt Müll auf die Schienen geworfen werden, wird das von den Ordnungs- und Sicherheitskräften unter die Lupe genommen“, sagt er. Im Vergleich zu anderen Bahnhöfen schneide der Kirchheimer positiv ab. „Von der Bundespolizei wird der Bahnhof als ruhig beschrieben“, weiß Marcus Deger.

Auch Andrea Kopp vom Polizeipräsidium Reutlingen kann dieser Einschätzung zustimmen: „Der Bahnhof stellt keinen außerordentlichen Brennpunkt dar.“ Sollte aber doch irgendwo der Schuh drücken, wie Andrea Kopp es formuliert, dann ist die Polizei sofort zur Stelle. „Sie analysieren die Lage regelmäßig“, sagt die Pressesprecherin, „und fahren dort auch regelmäßig Streife.“ Schließlich seien Bahnhöfe von Kriminalität immer ein bisschen mehr betroffen, als andere öffentliche Plätze.

Selbst zum Besen greifen

Doch nicht nur ein sicherer Bahnhof ist bei der Ordnungspartnerschaft die erste Priorität. Überfüllte Mülleimer, verschmutzte Bänke und Zigarettenstummel auf dem Boden soll es durch die Kooperation nicht mehr geben. Marcus Deger erklärt: „Die Deutsche Bahn ist eigentlich für das Leeren der Mülleimer zuständig.“ Aber: „Für einen sauberen Bahnhof muss man Kompromisse eingehen.“ Die Ladenbesitzer im und um den Bahnhof sollen im schlimmsten Fall auch mal selbst zu Besen und Mülltüte greifen.

Was so vielversprechend klingt, wird am Bahnhof mit einem kritischen Auge betrachtet. „Hier sieht es manchmal wie auf einer richtigen Müllhalde aus“, sagt eine ältere Dame, die öfters mit der Bahn unterwegs ist. Speziell am Wochenende sei es im Bahnhofsgebäude besonders schlimm. Ein Aushängeschild ist er ihrer Meinung nach auf keinen Fall. Sicher fühlt sie sich trotzdem. „Aber das liegt wohl daran, dass ich schon ein bisschen älter bin“, scherzt die Dame. Als junge Frau wäre sie ängstlicher, fügt sie hinzu.

Dieselben Beobachtungen hat auch eine Angestellte der Bäckerei im Bahnhofsgebäude gemacht: „Im Vorraum ist es immer schmutzig und das, obwohl es hier mehrere Mülleimer gibt.“ Auch sie fühlt sich am Bahnhof sicher, doch dieses Gefühl kann ihre Kollegin nicht teilen: „Sie hat Angst, sich hier alleine aufzuhalten.“

Der wöchentliche Gang zur Kripo

Die Angst scheint berechtigt zu sein, wenn man der Barkeeperin der Bahnhofskneipe Glauben schenkt. „Ich war vor Kurzem erst wieder bei der Kripo und musste eine Aussage machen. Das ist fast jede Woche dasselbe“, sagt sie. Am Wochenende gebe es hier viel Schlägereien zwischen jungen Leuten. „Und die Polizei kommt nur, wenn man sie ruft,“ erklärt die Frau. Provisorische Kontrollen oder Polizisten, die ab und zu den Bahnhof ablaufen, sieht sie nie.

Auch die Barkeeperin kennt das Müllproblem im Bahnhofsgebäude. „Den musste ich oft schon selbst wegräumen“, sagt sie. Um den Bahnhof herum hat sich aber vieles zum Besseren gewendet. Ihrer Meinung nach ist es dort viel sauberer als früher.

„Der Bahnhof unterscheidet sich nicht von anderen. Er ist in Ordnung, nicht sauberer, aber auch nicht schmutziger“, erklärt ein Mann, der gerade auf seinen Dienstbeginn wartet. Er ist Lokführer und kennt die regionalen Bahnhöfe. Kirchheim sticht für ihn weder positiv noch negativ hervor. Handlungsbedarf sieht er bei den Sicherheitskräften. „Davon sollte es abends mehr geben“, sagt er.

Am Kirchheimer Bahnhof herrscht zu Stoßzeiten reges Treiben - und das hinterlässt manchmal Spuren.Fotos: Carsten Riedl
Am Kirchheimer Bahnhof herrscht zu Stoßzeiten reges Treiben - und das hinterlässt manchmal Spuren.Fotos: Carsten Riedl

Zweite Heimat: Der Kirchheimer Bahnhof

Als Taxi-Fahrerin verbringt man oft Zeit an Bahnhöfen - und das kann oft ziemlich unangenehm werden. „Hier an den Haltestellen sieht es immer schlimm aus“, erklärt die Fahrerin eines Taxiunternehmens aus der Region. Um ihren Müll wegzuschmeißen, müssen die Taxi-Fahrer weit laufen. Für viele zu weit. „Oft schmeißen sie den Müll einfach aus dem Fenster“, sagt die Frau.

Finden die Fahrer doch einen Mülleimer, dann ist dieser oft überfüllt - oder schlimmer: Eine Ratte hüpft ihnen entgegen. „Wir haben hier sozusagen Haustiere“, scherzt die Taxi-Fahrerin.

An der Kriminalität hat sich ihrer Meinung nach über die Jahre hinweg nichts geändert. „Am Bahnhof sind immer dieselben Dealer und verkaufen ihre Drogen“, sagt die Frau.

Besonders schlimm findet die Taxi-Fahrerin den Zustand der Toiletten. „Man muss dafür 50 Cent zahlen, und dann hat es dort weder Seife noch Klopapier, und es ist nicht wirklich sauber“, beschwert sie sich. Als Ausweichmöglichkeit haben die Taxi-Fahrer die Toilette in der Bäckerei - doch die hat spätabends schon geschlossen und am Wochenende schon um 13 Uhr zu. sei