Kirchheim
Warum die Trennung lebensgefährlich sein kann

Beziehung Die Mitarbeiterinnen des Kirchheimer Frauenhauses blicken auf ein Ausnahmejahr zurück.

Kirchheim. Der Verein „Frauen helfen Frauen“ betreut das Kirchheimer Frauenhaus, in dem Frauen, die in der Familie Gewalt erleben, eine sichere Anlaufstelle haben. Normalerweise gibt es verschiedene Angebote, um die Kinder und ihre Mütter seelisch zu stärken. Doch diese, von der Kunsttherapie bis zur Stärkungsgruppe, konnten nur auf Sparflamme stattfinden, berichten die Mitarbeiterinnen Irmgard Pfleiderer und Saskia Wiesner. Beratungen fanden vermehrt am Telefon statt und es wurden dank einer Spende Laptops gekauft, damit die Kinder am Fernunterricht teilnehmen konnten.

Die Anzahl der Beratungen nach Polizeieinsatz sind im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent gestiegen, jedoch nicht so stark, wie eigentlich erwartet. „Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.“ Über die Gründe für den geringen Anstieg könne nur spekuliert werden: Möglicherweise ist der Gewalttäter fast den ganzen Tag zu Hause, sodass es nicht möglich ist, unbemerkt zu telefonieren oder Mails zu schreiben.

Eine Beratung zieht nicht automatisch einen Aufenthalt im Frauenhaus nach sich. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Täter die Wohnung dauerhaft verlassen muss. Die Polizei macht die Frauen auf das Angebot von „Frauen helfen Frauen“ aufmerksam und vermittelt auf Wunsch die Beratung.

Das Frauenhaus mit seiner anonymen Adresse hat zwölf Plätze, es können in fünf bis sechs Zimmern vier bis sechs Frauen und ihre Kinder aufgenommen werden. Im Jahr 2020 fanden 16 Frauen mit 30 Kindern Zuflucht. Die Belegung war mit 74 Prozent recht gering, was nötig war, um für Abstand zu sorgen. Denn tatsächlich erkrankte eine Familie an Corona und konnte in einer abgeschlossenen Wohnung in Quarantäne gehen.

Die meisten Frauen waren Deutsche. 56 Frauen wurden abgelehnt, weil das Haus voll belegt war und an andere Häuser vermittelt. Bei sechs waren die Voraussetzungen nicht gegeben und bei zweien konnte die Sicherheit nicht gewährleistet werden. Nur zwei Frauen waren jünger als 30 Jahre: „Das zeigt, dass es oft lange dauert, bis eine Frau eine Gewaltbeziehung verlässt“, sagt Pfleiderer.

Neun Frauen blieben bis zu drei Monate im Haus, nur eine mehr als zwölf Monate. „Wir setzen alle Hebel in Bewegung, um Wohnungen für die Frauen zu finden. Oft ist es Glückssache“, sagen die beiden Mitarbeiterinnen. Von einer Entspannung könne aber keine Rede sein.

Viele gewalttätige Väter dürfen ihre Kinder trotzdem sehen, oft zum Leidwesen der Beraterinnen. Es sei manchmal schwer auszuhalten, dass Gewalttäter, die nicht für ihre Kinder aufkommen, dennoch Umgang mit ihnen haben dürfen. Wie wichtig ein Zufluchtsort für die Frauen ist, zeigt sich an einer Zahl: Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet, wobei die gefährlichste Phase die Trennung ist. Barbara Gosson

1 „Frauen helfen Frauen“ ist unter der Nummer 0 70 21/4 65 53 oder im Internet erreichbar unter www. frauenhaus-kirchheim.de