Kirchheim

„Was fehlt, ist ein abgestimmter Plan“

Interview Handwerkskammer-Geschäftsführer Thomas Hoefling sieht bei der Digitalisierung erhebliche Defizite.

Stuttgart. Thomas Hoefling ist Geschäftsführer der Handwerkskammer in der Region Stuttgart. Beim digitalen Wandel in Ausbildung und Beruf sieht er großen Nachholbedarf im internationalen Vergleich.

An der Friedrich-Ebert-Schule hat der Kreis Esslingen jetzt sein erstes Multilabor an einer gewerblichen Schule in Betrieb genommen. Sind Sie mit der digitalen Entwicklung in der Ausbildung zufrieden?

Thomas Hoefling: Solche Leuchtturm-Projekte begrüßen wir natürlich sehr. Was wir uns allerdings wünschen, ist, dass die Schullandschaft jetzt möglichst rasch flächendeckend mit der notwendigen digitalen Infrastruktur ausgestattet wird. Davon sind wir leider noch weit entfernt. Vielerorts fehlen ausreichend WLAN-Anschlüsse und eine angepasste Stromversorgung. Auch bei der Geräteausstattung mit Rechnern und Tablets muss erheblich nachgebessert werden. Nicht zuletzt braucht es ein Konzept, wie die Pflege und Wartung der Infrastruktur gewährleistet sein kann und die Lehrerinnen und Lehrer die fachlichen Kompetenzen dafür erwerben können. Es gibt also noch einiges zu tun, um die im internationalen Vergleich bestehenden Defizite aufzuholen.

Gibt es Branchen, die sich mit dem digitalen Wandel besonders schwertun?

Die Baubranche ist zum Beispiel eine davon. Laut einer Studie der KfW-Bankengruppe sagen im Baubereich nur 26 Prozent der Unternehmen „Ja“ zur Digitalisierung. Schlusslichter bei der Nutzung digitaler Technik sind laut einer Studie des Zentralverbands des Deutschen Handwerks der Lebensmittelbereich und die personenbezogenen Dienstleistungen. Grundsätzlich gibt es jedoch in jeder Branche Vorzeigebetriebe.

Es wird häufig beklagt, die Politik nehme das Thema nicht ernst genug, wenn es um die Finanzierung geht.

Die Politik hat erkannt, dass die Digitalisierung an Schulen zwingend notwendig ist. Auch die Gelder stehen zur Verfügung. Was jedoch fehlt, ist ein abgestimmter Plan, wie diese Finanzmittel abgestimmt und koordiniert eingesetzt werden. Zudem besteht großer Nachholbedarf bei der Aus- und Weiterbildung der Lehrer und einer angemessenen Ausstattung der Bildungsstätten - das gilt für allgemeinbildende Schulen genauso wie für Berufsschulen. Es darf nicht sein, dass Schulen interaktive Whiteboards anschaffen, aber nicht über die notwendigen Steckdosen verfügen. Auch der Umgang mit digitalen Angeboten muss früher Beachtung finden: Bereits in den Schulen sollten Kinder und Jugendliche den kompetenten, aber auch kritischen Umgang lernen. Was wir brauchen, ist eine aufeinander abgestimmte, flächendeckende und langfristige Vorgehensweise, die gewährleistet, dass die vielen Rädchen reibungslos ineinandergreifen.

Die Auftragsbücher in den Betrieben sind voll, die Konjunkturlage soll sich 2018 weiter verbessern. Was bereitet Ihnen mit Blick auf die Zukunft im Handwerk dennoch Sorge?

Die Nachwuchssuche. Die Betriebe bemühen sich sehr, Auszubildende zu gewinnen. Als künftige Fachkräfte und potenzielle Führungskräfte, die selbst Betriebe übernehmen können, werden sie dringend gebraucht. Allerdings haben viele Betriebe große Probleme, diese Mitarbeiter zu finden. Einige sind in ihrem Wachstum eingeschränkt, weil sie wegen personeller Engpässe keine Aufträge mehr annehmen können.

Wo ist die Situation am bedrohlichsten?

Diese Problematik spüren vor allem die Bau- und Ausbauberufe. Deshalb brauchen wir einen Pakt für die Berufsbildung und das Bekenntnis zu guter beruflicher Bildung, die mit der akademischen Bildung gleichgestellt wird. Nur so kann die Berufsausbildung als echte Alternative zum Studium ins Bewusstsein dringen. Auch die möglichen sozialpolitischen Geschenke einer neuen Bundesregierung bereiten uns Sorgen. Das Handwerk ist sehr personalintensiv. Die Lohnnebenkosten dürfen sich auf keinen Fall weiter erhöhen, und auch die paritätische Finanzierung der Krankenkassen und Rentenpläne, die in den Koalitionsverhandlungen auf dem Tisch liegen, sehen wir kritisch.Bernd Köble