Kirchheim
Weihnachten in Corona-Zeiten: „Fürchtet Euch nicht“

Psychologie Was die Krise gerade in der Weihnachtszeit in den Menschen auslöst, erklären ein Psychologe und zwei Pfarrer. Auch zeigen sie Strategien für den richtigen Umgang mit Angst und Unsicherheit. Von Thomas Zapp

Das zweite Weihnachtsfest unter Corona-Bedingungen steht vor der Tür, und das bedeutet für Dimitrios Kourtoglou ein erhöhtes Gesprächsaufkommen. Der 29-Jährige ist Leiter der Psychologischen Beratungsstelle der Stiftung Tragwerk in Kirchheim, die vor allem Familien, Paaren sowie Kindern und Jugendlichen hilft. „Wir nehmen bei unserer Arbeit vermehrt Erschöpfung wahr“, erzählt er. Selbst wenn Menschen gut mit den Einschränkungen umgehen können und flexibel sind, spielt die Pandemie unbewusst immer eine Rolle“, sagt er.

Gerade bei Jugendlichen hat er festgestellt, dass die Ängste zunehmen. Das habe viel mit Unsicherheit zu tun, vor der unsichtbaren Gefahr, die man nicht kontrollieren kann. Hinzu kommt das Gefühl fehlender Selbstbestimmung. „Ein Gefühl der Ohnmacht, das auch zu Kontrollverlust und Wut führen kann.“

Aktiv und wach bleiben

Den medialen Informationsmarathon sieht er zwar als einen Faktor für die psychische Belastung, erachtet ihn gleichzeitig aber auch als wichtig für die Orientierung. „Es ist aber wichtig, auch mal eine Grenze zu setzen und bewusst nicht Nachrichten zu schauen“, sagt er. Das ist nicht die einzige Strategie, die Dimitrios Kourtoglou gegen die Corona-Weihnachts-Erschöpfung empfiehlt. „Aktiv und wach bleiben, schauen, was trotz Pandemie möglich ist“, empfiehlt er. Und die Hoffnung? „Das Wort Hoffnung verbinde ich oft mit passivem Warten, was in diesem Fall nicht so günstig wäre.“ Sein Tipp: soziale Kontakte pflegen, auch wenn es nicht persönlich geht, neue Dinge ausprobieren und Vertrauen haben in Politik und Gesundheitssystem.

„Was erwartet mich, wenn ich in die Kirche gehe?“, kennt Kirchheims evangelischer Pfarrer Axel Rickelt ein anderes Problem, das zu Weihnachten derzeit viele Menschen umtreibt. Fest steht: Gemeinsames Singen, zumindest in Innenräumen, fällt in der evangelischen Kirche aus. „Das ist natürlich sehr schade, aber es lohnt sich trotzdem. Denn die Weihnachtsgeschichte hat viel zu bieten. Sie hat auch mit Unsicherheit zu tun, etwa die Geburt eines Kindes in einer fremden Stadt“, sagt er. „Speziell zu Weihnachten in der Corona-Zeit treibe viele Menschen die Sorge um, dass Beziehungen Schaden nehmen“, berichtet der Pfarrer aus seinen Gesprächen und Briefen, die ihn vermehrt in diesen Zeiten erreichen. Vor allem ältere Menschen, die ihre Kinder schon zum zweiten Mal nicht zum Fest sehen, aus gesundheitlichen Gründen oder weil die Familie im Ausland lebt, fühlten sich isoliert. „Mich treibt generell die Sorge um, dass wir in dieser Zwangspause unsere Rituale des Zusammenlebens und Feierns verlieren“, sagt er.

Auf der anderen Seite stellt der Pfarrer aber auch Mut machendes fest: „Die Menschen entdecken, dass man Dinge gestalten kann, viele besuchen erstmals in ihrem Leben einen Online-Gottesdienst.“ Man könne in dieser Zeit lernen, so Axel Rickelt, wertvolle Zeit selbst zu gestalten, ohne sich auf andere zu verlassen. „Da hat der christliche Glaube viel zu bieten. Fürchtet Euch nicht, steht in der Bibel.“ Man könne seine Ängste aber auch ruhig zulassen: „Die wichtige Botschaft ist: Es gehört zum Menschsein dazu, auch mal hilflos zu sein. Sogar Gott entschied sich, als Kind geboren zu werden, das auf Hilfe angewiesen ist.“

Die „Hoffnung“ und das „Licht in der Dunkelheit“ kommen Franz Keil derzeit zu kurz. Speziell in den Nachrichten vermisst er die positiven Botschaften. „Zu sagen, wenn etwas gut gelaufen ist, etwa wie viele Menschen genesen sind, das fehlt mir“, sagt der katholische Pfarrer der Kirchheimer Martinskirche.  „Es gibt auch viel Gutes in der Welt, aber das höre ich fast nicht.“ Damit meint er nicht nur die mediale Berichterstattung, sondern ausdrücklich auch die Kirche. „Auch von ihr erfahren wir vor allem Verbote, bis hin zur Befürwortung der Impfpflicht. Da erwarte ich wesentlich mehr, wichtiger wäre auch von den Bischöfen ein positives Wort.“ Er stellt daher in Gesprächen viel Resignation fest: „Das entmutigt die Menschen.“

Wortwahl bedenken

Mut mache der Prophet Jesaja. „Er hat in Zeiten gelebt, die auch nicht gut waren. Aber er hat nicht die Dunkelheit, sondern das Licht dahinter gesehen.“ Er wünscht sich, dass nicht nur die Horrorgeschichten erzählt werden und auch die Wortwahl bedächtiger ausfällt. „Sonst dividiert man die Leute auseinander, wenn sie das Gefühl haben, dass Angst geschürt wird“, glaubt er. Den Leuten Mut machen, weniger Druck erzeugen, das wäre Franz Keil wichtig: „Denn Druck erzeugt Gegendruck.“

 

Der Teckbote hat sich in der Fußgängerzone einmal umgehört, wie die Menschen Weihnachten feiern. Eine Umfrage von Silja Kopp