Kirchheim

Weihnachtsaktion: Den Blick auf den Moment lenken

Benefiz Die ehrenamtlichen Patinnen und Paten des häuslichen Kinder- und Jugendhospizdienstes Kirchheim begleiten betroffene Familien in schweren Zeiten. Von Heike Siegemund

Miriam Wanisch (vorne, Dritte von links) und die ehrenamtlichen Patinnen des Kinder- und Jugendhospizdienstes kümmern sich um betroffene Familien. Foto: Tobias Tropper

Seit 1999 gibt es in Kirchheim den häuslichen Kinder- und Jugendhospizdienst. Die Verantwortlichen begleiten Kinder und Jugendliche mit lebensbedrohlicher oder -verkürzender Erkrankung sowie deren Geschwisterkinder und Eltern. Aber auch wenn ein Elternteil schwer erkrankt ist und die Kinder Abschied nehmen müssen oder wenn sie den Verlust eines Angehörigen oder nahestehenden Menschen erleben müssen, besuchen die Patinnen und Paten die Familien zuhause. Getragen wird der Dienst vom Malteser-Hilfsdienst und der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Kirchheim. Der Kinder- und Jugendhospizdienst benötigt unter anderem für die Qualifizierung der ehrenamtlich tätigen Patinnen und Paten Spenden – deshalb gehört er zu den drei Projekten, die heuer im Rahmen der Weihnachtsaktion des Teckboten unterstützt werden.

„Jeder Kassenpatient hat ein Anrecht auf Sterbebegleitung, die medizinische Versorgung und hospizliche Begleitung umfasst“, sagt Miriam Wanisch, Leiterin und Koordinatorin des Kinder- und Jugendhospizdienstes. „Aber die Trauerbegleitung, in der die Abwesenheit des geliebten Menschen schmerzhaft fühlbar wird, wird von den Krankenkassen nicht abgedeckt.“ Genau hier kommt der Kinder- und Jugendhospizdienst ins Spiel: Etwa 50 Ehrenamtliche kümmern sich um betroffene Familien, schenken Zeit, sorgen für Entlastung im Alltag, helfen im Haushalt, sind einfach da. Auch ehrenamtlich tätige Clowns sind für den Kinder- und Jugendhospizdienst im Einsatz: Diese bieten kein einstudiertes Programm, sondern sie gehen intuitiv und spontan mit den Kindern um. Ziel ist, den Augenblick zu verzaubern und zu vermitteln, dass es in der schweren Zeit auch Wundervolles geben kann. „Es geht darum, dass die Familie rauskommt aus dem Fokus Krankheit, Sterben, Tod. Es zählt der Moment der Freude.“

 

Das Wort Hospiz bedeutet Gastfreundschaft.

Miriam Wanisch, Leiterin des Kinder- und Jugendhospizdienstes 

 

In zweijährigem Rhythmus wird ein Qualifizierungskurs für neue Patinnen und Paten veranstaltet, informiert Miriam Wanisch. Auch die Clowns absolvieren einen speziellen Kurs, in dem auf die zukünftige Arbeit im Kinder- und Jugendhospizdienst vorbereitet wird und der für das nächste Jahr geplant ist, wie die Leiterin betont.

Erfahrungsgemäß mache das Wort „Hospiz“ Angst, weiß Miriam Wanisch. Doch Hospiz bedeute Gastfreundschaft. „Wir wollen den Blick lenken auf den Moment, auf das Schöne des Momentes, sei er noch so schwer. Und es geht uns um die Erkenntnis, dass man sich Hilfe holen darf, wenn eine schwere Diagnose vorliegt.“

„Es geht nicht darum, über das Wort Hospiz Angst zu machen, sondern darum, dass man sich Hilfe von einem ausgebildeten Dienst holen darf, wenn eine schwere Diagnose vorliegt“, verdeutlicht Miriam Wanisch. Der Kinder- und Jugendhospizdienst, der nächstes Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiert, sei bekannt in der Region rund um die Teck. „Wir haben ein großes Netzwerk, sind auch mit den Palliativstationen im Landkreis verbunden sowie mit den Kinderkliniken des Olgahospitals in Stuttgart und in Tübingen“, ergänzt die Leiterin und Koordinatorin, die auch Fortbildungen für Erzieher und Erzieherinnen sowie Lehrkräfte gibt. Auf den Kinder- und Jugendhospizdienst könne jeder zukommen: die betroffenen Familien selbst, aber auch Fachpersonal von Kliniken, Nachbarn sowie das Personal von Kindergärten und Schulen. Letztere besucht Miriam Wanisch auf Anfrage auch, um mit den Kindern über die Themen Tod, Sterben und Trauer zu sprechen.

Meldet sich eine Familie beim Kinder- und Jugendhospizdienst, übernimmt den ersten Besuch stets die Leiterin und Koordinatorin selbst. Dann entscheidet sie, welcher Ehrenamtliche oder vielleicht auch welche Ehrenamtlichen die Begleitung der Familie übernehmen. Im Mittelpunkt stehe dabei immer die Frage, was für die Familie hilfreich ist, was ihr in ihrer aktuellen Situation gut tue.

Der Einsatz der Ehrenamtlichen solle zwei bis drei Stunden pro Woche nicht übersteigen, erklärt Miriam Wanisch. Denn sie sollen weiterhin „stabil durch ihren Alltag gehen“ und auch abschalten können. Doch auch wenn das Erlebte durchaus an den Kräften zehren könne, so gebe die sinnvolle und sinngebende Tätigkeit ganz viel Kraft zurück, betont die Leiterin. „Wenn man zum Beispiel mit den Kindern Mensch ärgere dich nicht gespielt und anschließend mit ihnen Plätzchen gebacken hat und die Mutter konnte sich in dieser Zeit ausruhen, dann fährt man zufrieden nach Hause.“ Denn man wisse: Man habe einerseits Freude geschenkt und andererseits jemanden entlastet.

Es sei eine komplexe Familienbegleitung, die der häusliche Kinder- und Jugendhospizdienst leistet – im Mittelpunkt stehen dabei stets die Kinder. „Wir versuchen, das Allerbeste aus einer schweren Zeit zu machen. Und wir wissen aus Erfahrung, was gut tut“, ergänzt Miriam Wanisch. Dabei gehe es oft auch um kleine Gesten wie ein Händedruck oder eine Umarmung - oder um Kleinigkeiten wie nach Absprache das Kinderzimmer aufzuräumen oder die Wohnung zu saugen.

Der Bedarf für die Begleitung sei groß. Deshalb sei man auch immer auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen. Für diese werden regelmäßige Gruppenabende und Supervision angeboten. „Wir agieren immer als Team, weil wir nur mit dieser Kraft in die Familien gehen können.“

Trauergruppen, Lebenscafé, Beratungen

Im Schnitt besuchen die ehrenamtlichen Patinnen und Paten des Kinder- und Jugendhospizdienstes betroffene Familien über einen Zeitraum zwischen einem und drei Jahren. Die Begleitung der Familien ist kostenfrei.

Der Kinder- und Jugendhospizdienst hat außerdem Kinder- und Jugendtrauergruppen, die sich einmal im Monat in einem geschützten Rahmen treffen. In einem sogenannten Lebenscafé können sich Trauernde begegnen. Auch Wandern für trauernde Männer oder Frauen gehört zum Angebot – ebenso Beratungen, Informationen, Gespräche, Vorträge und Unterrichtseinheiten für Interessierte, Lehrpersonal und Menschen, die in ihrer Arbeit trauernden Kindern und Jugendlichen begegnen. Weitere Infos gibt es auf www.kinderhospizdienst.de im Internet. hei