Kirchheim

Wenn das Haustier unbequem wird

Rot- und Gelbwangenschildkröten werden häufig an den Bürgerseen ausgesetzt

Gerade in der Ferienzeit werden viele tierische „Lieblinge“ ­ausgesetzt. Ein Schicksal, das nicht nur Hund und Katze ereilt, sondern auch Reptilien.

Wenn das Haustier unbequem wird
Wenn das Haustier unbequem wird

Kirchheim. Im Handel sind Rot- und Geldwangenschildkröten für überschaubares Geld zu haben und damit auch rasch angeschafft. Dass die Reptilien nicht handflächengroß bleiben und sich auch nicht der Größe des Aquariums anpassen, scheint manchem Käufer ebenso wenig bewusst zu sein wie der Umstand, dass es die Tiere auf ein stattliches Alter von 30 bis 40 Lenzen bringen können.

„Die Anschaffung von Schildkröten sollte also gut und vor allem auch zukunftsgerichtet überlegt sein“, appelliert Wolf Rühle. Erwachsene Rot- und Gelbwangenschildkröten bringen es dem Umwelt- und Naturschutzbeauftragten der Stadt Kirchheim zufolge auf eine Länge von bis zu 30 Zentimetern. Und mit ihrer Größe sollte Rühle zufolge auch das Aquarium wachsen. Am besten sind die Reptilien laut Ulrich Hartmann, ökologischer Berater des Landratsamtes Esslingen, ohnehin in einem Gartenteich aufgehoben. Doch der sollte dem Biologen zufolge mit einer Gehegeumgrenzung versehen sein, damit die Schildkröten das Grundstück nicht verlassen können.

Fakten und Anforderungen, mit denen mancher Halter nach der Anschaffung schnell überfordert ist. Anders ist es laut Wolf Rühle nicht zu erklären, dass Rot- und Gelbwangenschildkröten am Kirchheimer Bürgersee ausgesetzt werden. „Aufgrund der klimatischen Bedingungen können sich die Tiere bei uns nicht fortpflanzen“, so der Umwelt- und Naturschutzbeauftragte. „Da die Kolonie am Bürgersee aber nicht kleiner wird, ist die logische Schlussfolgerung, dass Besitzer dort immer wieder die Reptilien ‚abliefern‘.“ Das ist Ulrich Hartmann zufolge eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem empfindlichen Bußgeld belegt werden kann.

Ursprünglich stammen Rot- und Gelbwangenschildkröten aus Nordamerika. „Dort gehören beispielsweise Alligatoren zu ihren Fressfeinden“, berichtet Wolf Rühle. „Solange die Tiere klein sind, werden sie von Fischen und bestimmten Vogelarten gefressen. Doch die Reptilien wachsen schnell und müssen keine Feinde fürchten, sobald sie eine gewisse Größe erreicht haben.“ Das gelte nicht nur für den Bürgersee, sondern auch den Sonnensee und die Wernauer Baggerseen, wo die Rot- und Gelbwangenschildkröten ebenfalls zu finden seien.

Kolonien von Rot- und Gelbwangenschildkröten gibt es Martin Klatt zufolge in Baden-Württemberg zwischenzeitlich zuhauf. Der Arten- und Biotopreferent des NABU-Landesverbandes betont, dass die Einfuhr der Reptilien in die EU und seit den Neunzigerjahren in der Bundesrepublik untersagt ist. „Und das aus gutem Grund, denn einmal ausgesetzt oder ausgebüxt, bergen sie die Gefahr der Faunenverfälschung, die“, laut Klatt, „Ursache für den Rückgang oder das Aussterben heimischer Artenbestände sein kann.“

Auf dem Speiseplan der Allesfresser würden nicht nur Pflanzen stehen, sondern beispielsweise auch Libellen und deren Larven, von denen sämtliche in Deutschland vorkommenden Arten dem Bundesnaturschutzgesetz und der Bundesartenschutzordnung unterliegen. Eine schmackhafte Mahlzeit sind für die Invasoren nicht nur die von Fischen im Wasser abgelegten Eier, sondern auch der Laich von bedrohten Amphibien wie Fröschen oder Molchen. Durch die ausgesetzten Rot- und Gelbwangenschildkröten werden gerade geschützte Arten laut Martin Klatt zusätzlich in Bedrängnis gebracht.

Hinzu kommt, dass die fremden Tiere in hiesigen Breitengraden den Winter hervorragend überstehen. „Letztlich kann nur der Ausbruch einer Krankheit die Bestände von Rot- und Gelbwangenschildkröten dezimieren“, so der Biologe, der es angesichts des Klimawandels nicht für ausgeschlossen hält, dass sich die Tiere in der Zukunft auch in unseren Breitengraden erfolgreich fortpflanzen können. In manchen Gegenden Österreichs sei das bereits der Fall. So  weit ist es laut Wolf Rühle am Bürger-, Sonnen- und den Wernauer Baggerseen noch nicht. „Bislang gibt es dort keine Anzeichen dafür, dass die Rot- und Gelbwangenschildkröten andere Arten ernsthaft in Bedrängnis bringen“, berichtet der Umwelt- und Naturschutzbeauftragte, der betont, dass dies aber kein Freischein dafür sei, die lästig gewordenen Tiere an den Gewässern weiterhin auszusetzen.

Der Schein trügt: Auch wenn Rot- und Gelbwangenschildkröten nicht auf Anhieb zu sehen sind, am Bürgersee gibt es seit Jahren ein
Der Schein trügt: Auch wenn Rot- und Gelbwangenschildkröten nicht auf Anhieb zu sehen sind, am Bürgersee gibt es seit Jahren eine Kolonie der Tiere. Bei Sonnenschein treibt es die Reptilien an exponierte Stellen im Wasser. Dort können sie sich aufheizen.Fotos: Jean-Luc Jacques, Daniela Haußmann, iStock.com/Birute Vijeikiene

Ungefährliche Ringelnattern

Am Bürgersee leben nicht nur Rot- und Gelbwangenschildkröten. Auch Ringelnattern haben dort einen Lebensraum gefunden. Die gefährdete und unter Artenschutz stehende Schlangenart ist für Badegäste, Freizeitsportler und Spaziergänger ungefährlich. Die Tiere sollten in Ruhe gelassen werden.dh