Kirchheim

Wenn die Leinwand lügt

Matinee Die Central-Lichtspiele sind bei der jährlichen Matinee des Film Clubs Teck voll besetzt.

Kirchheim. Der 15-Minuten-Film hat begonnen, aber die Leinwand im Kino ist noch schwarz. Plötzlich ist das Piepen eines Weckers zu hören. Eine Stirnlampe geht an, der Wecker zeigt 3 Uhr morgens. „Es hat gefühlte minus 20 Grad“, sagt Jürgen Leitz, der sich in einem Zelt auf 5 000 Metern Höhe befindet. Im Alleingang hat er sich an die Besteigung des 6 150 Meter hohen Stok Kangri im Himalaya gemacht, ganz alleine dieses Wagnis dokumentiert. Da kam es schon vor, dass das Stativ nicht zum Einsatz kam, weil es für den Aufbau einfach zu kalt war. Am Gletscher war Leitz zu früh, es war noch dunkel, doch er schaffte es zum Gipfel und zurück. Bei der Aufführung war er nicht dabei. „Der Kerle ist schon wieder unterwegs“, sagte der stellvertretende Clubleiter Lutz Schulze, der die elf Filmbeiträge anmoderierte. Sie waren vielseitig und durchweg technisch hochwertig.

Noch ein zweiter, Zwei-Minuten Beitrag, kam von Leitz: Eine augenzwinkernde Werbung für die Hotels mit weit mehr als fünf Sternen – gemeint sind die Sterne des Himmels bei einer Freiluftübernachtung. Viele Beiträge waren Reportagen. Den Auftakt machte Karl-Heinz Kosmallas Produktion über den Kupferschmied Gottlieb Dangel. Sie bleibt spannend, erst spät erfährt der Zuschauer, dass Dangel in geduldiger Handarbeit zwei Alphörner fertigt, um damit ein Ständchen zum Geburtstag zu spielen. Weitere Reportagen widmeten sich den Osterbrunnen, in der Gemeinde Oberstadion werden für den Schmuck über 24 000 Eier eingesetzt, und dem Bärenthaler Tuffstein. Peter Markotschi stellt in „Weißer Rauch im Nassachtal“ Familie Hees und ihre Arbeit als Hobbyköhler vor. Er erklärt dabei die Entstehung von Holzkohle. Die Produktion ist von 2009, eine Ausnahme, denn sonst stammten fast alle Beiträge aus dem vergangenen Jahr, sie liefen auf Wettbewerben.

Noch viel ältere Aufnahmen, nämlich aus dem Jahr 1943, haben Barbara und Hartmut Ibsch in ihre sensible und mutige Produktion „…zulassen“ hineingeschnitten. Es sind Bilder, die lügen, weil sie in Schwarz-Weiß ein vorgebliches Familienidyll zeigen. Erst im Interview mit Hartmut Ibsch erfährt der Zuschauer von der Erziehung, die ihm, dem im Film gezeigten kleinen Jungen, widerfahren ist. Eine Erziehung mit preußischer Härte, von einem Vater, der als Lehrer im Sinne der Nazi-Diktatur unterrichtete. Eine Erziehung ohne Umarmung, ohne jede menschliche Wärme. Ibsch klagt nicht an, er erzählt und beschreibt nur, was geschehen ist und was das mit ihm gemacht hat. Auch, dass das Verhältnis zum Vater später dennoch sehr gut wurde, er endlich Anerkennung erfuhr. Dass eine solche Erziehung ein Verbrechen ist, wird im Film nie gesagt. Das ist nicht nötig, es wird von selbst klar.

Taugt ein Kurzfilm, der privat zu einer Hochzeit entstanden ist, für eine Vorführung im weiteren Rahmen? Im Fall von „Kleines Lied vom Mutmachen“ von Ehrentraud Albrecht war das der Fall. Laufen lernen muss schließlich jeder. Mit „Persien mit eigenen Augen“ von Dr. Hanns-Jürgen Roll war auch das Genre „Reisebericht“ vertreten. Roll zeigt, wie im Iran mit Wasser umgegangen und wie sehr dieses dort geschätzt wird. Ganz selbstverständlich und gekonnt kombiniert Roll Stand- und Bewegtbilder, er tut es nicht als Einziger. Fotografie und Film haben dank Digitaltechnik zusammengefunden.

Wie viel sich in sechs Minuten packen lässt, zeigen Josef Pettinger und Rolf Schaal in ihrer Produktion „Seelentaucher“. Eine Reise ins Innere, ein experimentelles Werk, zu dem jeder seine eigene Interpretation finden kann – vielleicht ein wenig vom Vorspann zu „Skyfall“ inspi­riert. In ebenfalls sechs Minuten zeigt Rolf Horst in „Blutmond“ mit Standbildern den Ablauf einer Mondfinsternis.Peter Dietrich