Kirchheim. „Man kann nicht nicht kommunizieren“, stellte schon der österreichische Philosoph und Psychotherapeut Paul Watzlawick fest. „Das fängt beim Betreten eines Raumes an, da haben Sie noch nichts gesagt und bereits den größten Teil Ihrer Wirkung erzielt“, erklärt Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Simone Richter. Die PR-Beraterin und Sachbuchautorin gab ihren Zuhörerinnen und Zuhörern beim virtuellen Vortrag der Kirchheimer VHS zum Abschluss der Frauenkulturtage einen spannenden Einblick in die Spielregeln weiblicher und männlicher Kommunikation.
Die Faustregel „55-38-7“ des amerikanischen Psychologen Albert Mehrabian zeige es: 55 Prozent der Wirkung beruhen demnach auf der Körpersprache, 38 Prozent auf der Stimme und nur sieben Prozent auf dem Inhalt des Gesagten. „Das heißt jetzt nicht, dass Sie nur noch inhaltsleer kommunizieren sollen, wichtig ist, dass Sie sich klar machen: Nicht nur was Sie sagen zählt, sondern wie Sie es tun“, betont Dr. Simone Richter.
Fakt ist: Männer und Frauen ticken in der Regel völlig unterschiedlich, auch wenn es immer Ausnahmen gebe. Bis heute sind typische Rollenbilder, Stereotype und Klischees an der Tagesordnung, deren Ursprung schon bei unseren frühen Vorfahren liege. Man denke an die Aufgabenverteilung in der Steinzeit: Während er auf die Jagd ging, hielt sie zu Hause den Laden zusammen. „Frauen wundern sich oft darüber, warum sie in Meetings nicht ernst- oder wahrgenommen werden“, weiß Simone Richter und rät: „Es kommt aufs richtige Timing an. Am Anfang jedes Meetings gibt‘s erst mal eine Runde Small Talk, man bringt sich in Position. Frauen halten sich oft raus, weil sie das Platzhirschgehabe affig finden. Fehler. Machen Sie mit, sonst werden Sie direkt zu Beginn unsichtbar. Und: Sprechen Sie immer zum Alphatier der Runde, denn wenn die Eins Ihnen zunickt, haben Sie den Rest sowieso im Boot“, rät der Kommunikationsprofi.
Frauen tendieren laut Richter im Berufsalltag nach wie vor häufig dazu, zu zurückhaltend und höflich zu sein, tiefzustapeln und eher zu schauen, dass alles harmonisch läuft: „Es bringt aber nichts, wenn Sie Everybody‘s Darling sind, das ist im Prinzip nichts anderes als Everybody‘s Depp! Machen Sie klare Ansagen, nehmen Sie Raum ein, seien Sie souverän - sowohl sprachlich als auch in Gestik, Mimik und der gesamten Körperhaltung.“ Ein Beispiel: Kopf gerade, nicht zur Seite geneigt und dadurch die verletzliche Halsschlagader direkt offengelegt, „das funktioniert vielleicht beim Flirten, im Job bitte bleiben lassen. Und schalten Sie in einer Besprechung ihren Lächelreflex aus, wenn Sie ernst genommen werden wollen, der vermittelt eher: Bitte, tu mir nix. Zur Begrüßung und dem Abschied ist ein freundliches Lächeln völlig o.k., ansonsten bitte auf eine ernsthafte und sachliche Mimik achten.“
Männer hätten solche Grundverhaltensweisen meist eher verinnerlicht und das von Kindesbeinen an. Denn Jungs werden bis heute von Anfang an anderes programmiert als Mädels. So gehe es bei den Jungs und später den Männern oft um den Wettkampf-Gedanken - wer setzt sich durch, ist präsent, ehrgeizig, bestimmend und effizient. Das spiegle sich in der männlichen Kommunikation wider, so Richter. Mädchen und Frauen agieren dagegen häufiger hilfsbereit, fürsorglich, mitfühlend und verständnisvoll. Man spreche bei Männern daher von einer status-orientierten und hierarchischen Kommunikation, bei den Frauen von einer beziehungs-orientierten und non-hierarchischen.
Aber: „Egal, wie hart sich Männer untereinander in Meetings angehen mögen, zum Feierabend gehen sie trotzdem ein Bier zusammen trinken. Sie differenzieren zwischen Job und privat. Frauen dagegen nehmen oft viel mit nach Hause. Wenn es Kritik gibt, nehmen Sie sie nicht zu persönlich, sondern erkennen vielmehr, dass Sie von Ihrem Gegenüber ernst genommen werden.“ Man müsse als Frau natürlich nicht komplett auf ein männliches Kommunikationsverhalten umschwenken. Die unterschiedlichen Muster zu erkennen und sowohl die weiblichen als auch männlichen Attribute je nach Situation flexibel einsetzen zu können, sei essenziell. Ganz im Zeichen Astrid Lindgrens hatte die Wissenschaftlerin am Ende noch einen wertvollen Rat an die Frauen der Runde: „Seien Sie Pippi, nicht Annika!“ Katja Eisenhardt