Kirchheim
Wie modern dürfen alte Dächer wirken?

Altstadt Der Kirchheimer Gestaltungsbeirat debattiert über den Einsatz von PV-Anlagen in der historischen Innenstadt. Eine allgemeingültige Lösung für die Dachlandschaft ist allerdings noch lange nicht in Sicht. Von Andreas Volz

Erneuerbare Energien und Denkmalschutz – wie passt das zusammen? Mit dieser Frage hat sich der Kirchheimer Gestaltungsbeirat auseinandergesetzt. Herausgekommen ist dabei eine wichtige Grundsatzdebatte, aber noch keine  
 

Es soll sich etwas ändern. Aber es soll nicht aussehen wie Kraut und Rüben.
Sophie Wolfrum
Die Vorsitzende des Gestaltungsbeirats über PV-Anlagen in der Altstadt

wirkliche Lösung. Das Dilemma: Zu einer malerischen Altstadt gehören außer Fachwerkfassaden auch rote Ziegel auf den Dächern. Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern erweisen sich dabei als ziemlich störend, was – wie so vieles – im Auge des Betrachters liegt.

Was aber tun, wenn die Eigentümer trotzdem die natürliche Energie der Sonne „anzapfen“ wollen oder müssen? Dabei geht es um unterschiedliche Interessenlagen: um den Schutz der Umwelt und des Klimas, wenn Energie erzeugt wird, ohne das es schädliche Emissionen zur Folge hat. Es geht aber auch um den eigenen Geldbeutel – gerade auch in Zeiten, in denen sich zur Klimakrise die Energiekrise gesellt. Energie muss bezahlbar bleiben, und dafür bietet das Dach auf dem eigenen Haus die besten Möglichkeiten.

Schwierig wird es allerdings, wenn es vom Straßenzug abhängt, ob Eigentümer verpflichtet werden, Dächer auf Neubauten mit PV-Anlagen auszustatten. oder ob es ihnen – vielleicht nur hundert Meter entfernt – verboten wird, weil sonst die Ensemble-Wirkung einer Altstadtzeile gefährdet ist.

Der Gestaltungsbeirat ringt deshalb um tragfähige Kompromisse für Kirchheim. Eine wichtige Frage ist die, ob die Dachflächen gut einsehbar sind oder nicht. Wenn ein Dach also auf einen Hinterhof geht, den von der Straße aus niemand sehen kann, sollte die PV-Anlage erlaubt sein, hieß es einmütig im Beirat. Ideal wäre es zudem, wenn das Material nicht reflektiert und wenn es sich farblich an die Dächerlandschaft anpasst.

In diesem Fall gibt es bereits Module auf dem Markt, die sich von einem normalen Dachziegel kaum mehr unterscheiden lassen. Das ist dann die „In-Dach-Variante“. Die andere Möglichkeit ist bis jetzt noch die bekanntere: Die PV-Anlage wird auf dem Dach angebracht, hebt sich dafür aber visuell als „Auf-Dach-Lösung“ deutlich von den Ziegeln ab.

Beides hat Vor- und Nachteile: Die „In-Dach-Lösung“ würde sich gerade für die historische Bausubstanz in der Altstadt hervorragend eignen – weil sie ihren Zweck erfüllt, ohne das Aussehen der Dächer zu verändern. Das Problem: Nach etwa 30 Jahren erbringt die Anlage keine ausreichende Leistung mehr. Würde die Stadt Kirchheim also diese Variante zwingend vorschreiben, wären die Eigentümer gezwungen, spätestens alle 30 Jahre ihr Dach neu decken zu lassen – auch wenn die Ziegel viel länger halten würden.

Auch die „Auf-Dach-Variante“ wäre nach 30 Jahren auszutauschen. Allerdings ließe sich das technisch wesentlich leichter bewerkstelligen, weil die Ziegel unter der Anlage nicht ausgetauscht werden müssten. Eine „Auf-Dach-Anlage“ wäre außerdem kein direkter Eingriff in die historische Bausubstanz – auch wenn es sich dabei um die ästhetisch weniger wertvolle Lösung handelt.

Die einzelnen Mitglieder des Gestaltungsbeirats sahen selbst, wie widersprüchlich das Thema ist: Einerseits stellten sie fest, dass die verwinkelten Dächer in den Innenstädten ohnehin keine großflächige Stromerzeugung erlauben. Andererseits gehen sie von einer sehr dynamischen Entwicklung aus und sehen bereits veränderte Sehgewohnheiten voraus. Vielleicht stört es ja in ein paar Jahren gar niemanden mehr, wenn sich PV-Module auf den Dächern befinden. Vielleicht sogar auf dem Dach des Kirchheimer Rathauses?

Gewisse Gebäude sind tabu

Im Gestaltungsbeirat gab es eine Liste mit Gebäuden, die aus Denkmalschutzgründen außen vor bleiben sollte. Das Schloss gehört dazu, der Marstall, das Alte Forstamt und eine Reihe weiterer Gebäude: Martinskirche, Max-Eyth-Haus, Kornhaus, Spital, Rathaus, Vogthaus, Mönchshaus und Bastion. Gerade die Häuser mit den größten Dachflächen wären also tabu. Dabei zeigten Fotos in der Sitzung, dass es wirklich gute Lösungen geben kann. Oberbürgermeister Pascal Bader lobte ein Bild vom Neuen Rathaus in Nürnberg. Weniger gelungen fand er das Beispiel einer historischen Kirche in Mecklenburg-Vorpommern.

Daran zeigt sich das Problem: Der Stadt geht es, eine Regelung zu finden, bei der es nicht jedes Mal intensive Rücksprachen mit dem Denkmalamt braucht. Andererseits braucht es gerade in der Altstadt immer wieder individuelle Lösungen. Die Gesamtlösung jedenfalls, die sich allem überstülpen lässt, zeichnet sich bislang nicht ab.