Kirchheim

„Wie Sand am Meer“ ist nicht mehr

Rohstoff Sand ist längst zu einem knappen Gut geworden. Manche Länder müssen die Ressource importieren. Der Kirchheimer Unternehmer Walter Feeß beschreitet deswegen neue Wege in der Sandgewinnung. Von Daniela Haußmann

Sand ist ein wertvolles Gut, das in manchen Ländern aufgrund seiner Knappheit importiert werden muss. In Deutschland halten die
Sand ist ein wertvolles Gut, das in manchen Ländern aufgrund seiner Knappheit importiert werden muss. In Deutschland halten die Sandreserven zwar noch lange vor, allerdings plädieren Experten auch hier für einen sorgsamen Umgang mit dem Bodenschatz. Fotos: Daniela Haußmann

Keiner zweifelt daran: Öl, Gas und Edelmetalle sind wertvolle Ressourcen, mit denen sorgsam umgegangen werden muss, denn ihre globalen Reserven sind begrenzt. Dass das aber auch für Bodenschätze gilt, die im Baustoffsektor zum Einsatz kommen, ist den wenigsten bewusst. Jedes Jahr werden im Bergbau nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) weltweit zwischen 47 und 59 Milliarden Tonnen an Primärrohstoffen unwiederbringlich abgebaut. Sand und Kies bilden der UNEP zufolge mit einem Mengenanteil von 68 bis 85 Prozent den Hauptteil der auf und unter der Erdoberfläche gewonnenen Bodenschätze.

Sand ist nach Luft und Wasser die am meisten genutzte Ressource. Doch wer denkt schon daran, dass die gelb-braunen Körner, die in Bürotürmen, Wolkenkratzern, Wohnungen, Rathäusern und Stadthallen stecken, knapp werden? Walter Feeß ist einer von jenen, die die Problematik kennen.

Nicht umsonst gewinnt der Geschäftsführer des Kirchheimer Unternehmens Heinrich Feeß seit rund zwei Jahren mithilfe einer speziellen Waschanlage rund 70 000 Tonnen Gesteinsmaterial aus dem Bodenaushub zurück, der auf den Baustellen rings um die Fachwerkstadt anfällt. Etwa 10 000 Tonnen Sand fallen dabei an. Er wird hauptsächlich zur Betonherstellung verwendet. Der im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnete Experte sieht den Grund für Verknappung globaler Sandreserven in einem seit Jahrzehnten anhaltenden Bauboom.

Laut Andreas Hagedorn, Vorsitzender des in Bonn ansässigen Berufsverbandes deutscher Geowissenschaftler (BDG), hat allein China in den vergangenen paar Jahren so viel Sand verbaut, wie Amerika im gesamten letzten Jahrhundert. Selbst in Dubai wird das Naturgut zwischenzeitlich importiert. Am Rande der Metropole breitet sich zwar die weltweit größte Sandwüste aus, doch aus dem Material, aus dem sie gemacht ist, lassen sich keine Häuser bauen. „Der Wind schleift die Körner so fein und rund, dass ihnen die für die Betonherstellung notwendige Haftung fehlt“, erklärt Walter Feeß.

Längst hat sich laut Andreas Hagedorn eine Sandmafia entwickelt, die beispielsweise ganze Sandstrände abbaut. Das illegale Geschäft mit der Ressource ist dem Fachmann zufolge aufgrund ihrer Knappheit lukrativ geworden. Die Strände anschließend wieder aufzuschütten, bringt nach Auskunft des BDG-Vorsitzenden wenig, denn der Eingriff hat ihre natürliche Struktur zerstört, sodass das tonnenweise herangekarrte Material keinen Halt mehr findet und ins Meer rutscht.

Deutschland exportiert Hagedorn zufolge zwar keinen Sand ins Ausland, allerdings schließt er nicht aus, dass sich das irgendwann ändern könnte. Der anhaltend hohe Sandbedarf führt mit dem Raubbau zu einer fortschreitenden Verknappung des Baustoffs. „Das könnte zu Preissteigerungen am Weltmarkt führen, die“, aus Sicht von Andreas Hagedorn, „Exporte lukrativ machen.“ Der BDG-Vorsitzende räumt zwar ein, dass es in den zurückliegenden Jahren schwieriger geworden ist, Genehmigungen für die Erweiterung oder Neuauflassung von Abbaustätten zu erhalten, er zweifelt aber nicht daran, „dass es Betreiber geben wird, die bereit sind, die damit verbundenen hohen Kosten zu tragen, wenn die Ausfuhr attraktive Gewinne verspricht.“

Was bleibt ist immer die gleiche Frage: Wie viele knappe Naturgüter müssen noch abgebaut werden, bis ein Umdenken stattfindet? Denn aus Sicht von Dr. Heinrich Bottermann, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), gibt es schon heute Alternativen. Bauen mit Holz oder Recyclingbaustoffen hilft nachhaltig, Ressourcen zu sparen und damit den Landschaftsverbrauch, den Abbaustätten nach sich ziehen, zu reduzieren. „Dazu leistet Walter Feeß einen unschätzbar wertvollen Beitrag“, betont Heinrich Bottermann.

Feeß selbst ist überzeugt, dass eine höhere Nachfrage nach Alternativbaustoffen nicht nur die Laufzeiten bestehender Steinbrüche, Kies- und Sandgruben verlängert. „Eine Reduktion der Fördermengen bei Primärrohstoffen senkt auch die Zahl der Radlader, Muldenkipper und Laster, die während des Abbaus im Einsatz sind“, gibt Walter Feeß zu bedenken. „Das reduziert den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß.“

Für den Kirchheimer Unternehmer ein zentraler Punkt. „Kohlenstoffdioxid reagiert mit Wasser zu Kohlensäure, das beispielsweise den pH-Wert unserer Ozeane absenkt“, sagt Feeß. „Ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig Umwelt- und Klimaschutzbelange auch beim Thema Bauen sind.“