Kirchheim

„Wie sehne ich mich nach Worten, die tragen!“

Lyrik In der Buchhandlung Schöllkopf werden Emotionen in drei Sprachen präsentiert: Deutsch, Französisch, Musik.

Kirchheim. Ineinander verwoben wurden in der Buchhandlung Schöllkopf Gedichte von Susann Pineau in deutscher und französischer Sprache, mit der musikalischen Übersetzung von Volker Heuken. In der musikalischen Lyriklesung „Durch das Schlüsselloch“ trug Pineau Texte aus ihrem gleichnamigen Band und auch frühere Werke vor, begleitet von Heuken am Vibraphon.

Pineau eröffnet die Veranstaltung mit Gedichten, die in „sonnigere, wärmere Landesteile“ führt, etwa mit dem Gedicht „Land’s End am Atlantik“, das, obwohl eines ihrer ersten Gedichte, in heutiger Zeit hochaktuell anmutet mit den Worten „Hoffnung legt sich aufs Wasser“ für die „Gestrandeten“. Ihre Verbindung zu Frankreich drückt Pineau mit Texten aus, die das dortige Leben beschreiben, zum Beispiel „Gebetsfahnen des Südens“ - das sind Wäscheleinen, behängt mit bunter Wäsche, die die Häuser in einer südlichen Stadt zu verbinden scheinen. Aber auch kritische und weniger idyllische Situationen werden in Worte gehüllt, so in „Place de la République“. Darin wird die Essensausgabe einer Pariser Hilfsorganisation beschrieben. Die Gedichte der Autodidaktin muten mal poetisch schön an, doch ebenso bestürzend, mit aktuellem Bezug, wie in „Kriegskinder“, in dem es heißt „damit diese fortwährende Nacht zu ertragen sei“.

Besonders kraftvoll wirken Gedichte wie „Kaltfront“, „Sprachlos“ oder „Unter Null“, die die Kälte innerhalb des Zusammenlebens in der Gesellschaft thematisieren. So treffen die Worte „Sätze wie gefällte Bäume“ oder „Lösche den Funkenflug Hass“ mitten ins Herz, wenn man sie in Bezug auf den Umgang miteinander nimmt. Sie sind laut Pineau entstanden wegen der Atmosphäre, „so wie ich sie empfinde in diesem Land.“

Katrin Hörcher ist die Inhaberin der Buchhandlung Schöllkopf und Initiatorin der Veranstaltung. Für sie ist die Lyriklesung an diesem Abend fast eine Premiere - und zugleich fast ein Jubiläum, denn seit sie am 1. Mai vor einem Jahr die Buchhandlung übernommen hat, gab es erst eine Veranstaltung, aber es sollen weitere folgen. Die musikalische Lyriklesung fügt sich jedenfalls sehr gut in diesen Rahmen aus Antiquariat, moderner Literatur und regionalem Lesestoff, aber auch Kunst, Kunsthandwerk und Buchbindearbeiten von lokalen Künstlern. Die knapp zwanzig Besucher an diesem Abend sitzen fast aneinander gekuschelt, was eine gemütliche und doch stille Atmosphäre erzeugt. Susann Pineau ist zufrieden über die dichte, konzentrierte Atmosphäre.

Mit wenigen, eindringlichen Worten und Wendungen versteht Pineau es, zentrale Themen des Lebens auf den Punkt zu bringen. Gedichte müssten schon ein paar Jahre liegen, bevor sie in gedruckter oder gesprochener Form Veröffentlichung fänden, meint sie. „Es muss reifen wie ein guter Wein“ und schließlich weiß man: „Jetzt kann man das Gedicht abnabeln.“

Die Wirkung des Gedichtes „Stimmungswechsel“, in dem es heißt „Dein ganzer Tag heute ein Refrain in Moll. Als du im Morgengrauen zu Bett gehst, bist du in Dur gestimmt“, wird durch die anschließend vorgetragene Komposition Heukens - die langsam und gedrückt beginnt, am Schluss heiter und hell wird - musikalisch übersetzt und potenziert.

Volker Heuken, im Bruno-Rother-Gedächtnis-Wettbewerb von 2014 ausgezeichnet, hat seine Musikstücke auf Pineaus Gedichte maßgeschneidert. Seine Intention ist es, die Stimmung des Gedichtes mitzunehmen und diese in Musik umzusetzen.

Der zweite Teil der Veranstaltung weist auf die inneren Landschaften hin, etwa in „Auf Probe“, in dem der Tod „einmal ganz ohne Betäubung zu meistern verlangt werden wird.“ Zum Abschied werden Worte und Klänge im gemeinsam vorgetragenen „Dichten und was es bedeuten kann“ ineinander verflochten.Stefanie Klink