Kirchheim

Wie wir unsere Gene beeinflussen können

Vortrag Der Neurobiologe und Wissenschaftsautor Dr. Peter Spork war in der Buchhandlung Zimmermann zu Gast.

Der Neurobiologe Dr. Peter Spork stellt sein Buch über Epigenetik vor.Foto: Günter Kahlert
Der Neurobiologe Dr. Peter Spork stellt sein Buch über Epigenetik vor.Foto: Günter Kahlert

Kirchheim. „Sind Sie gesund?“ Peter Spork stellt die Frage gleich zu Beginn der Vorstellung seines Buches „Gesundheit ist kein Zufall“. Damit nimmt der Neurobiologe und Wissenschaftsautor seine Zuhörer mit in das spannende Gebiet der Epigenetik. Diese noch relativ junge Wissenschaft ergründet die fast schon philosophische Frage „Wie wir werden, was wir sind“. Die Gene allein sind es jedenfalls nicht. Entscheidend sind die biochemischen Mechanismen, die diese Gene regulieren, ob sie aktiv oder inaktiv sind und wie sie zusammenwirken. Hier setzt die Epigenetik an. „Es gibt nicht einzelne Gene, die unsere Gesundheit steuern, es sind immer Hunderte oder Tausende Gene beteiligt“, erläutert Peter Spork die komplexen Vorgänge im Körper. Die Epigenetik versucht zu erforschen, was die Gene und deren Zusammenspiel beeinflusst, ohne sie zu verändern. Keine leichte Aufgabe bei 30 Billionen Zellen, die den menschlichen Körper ausmachen.

Nach Peter Spork ist Gesundheit jedenfalls nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, „es ist ein ständiger Prozess im Körper, das Leben ist eine unentwegte biologische Entwicklung.“ Er verblüfft seine Zuhörer mit der Feststellung „Gesundheit ist kein Gegensatz zu Krankheit“ und nennt ein Beispiel: „Wenn wir einen Schnupfen haben, sorgt Gesundheit dafür, dass wir schnell wieder gesund werden.“ Eine entscheidende Erkenntnis der Epigenetik ist, dass sich körperliche und geistige Gesundheit beeinflussen lassen. Die Empfehlungen klingen schlicht: ausgewogen ernähren, Bewegung, soziale Kontakte, ausreichend Schlaf, regelmäßige Entspannungsphasen. „Egal was wir tun, alles verändert den Körper und die Psyche, beeinflusst unser Wohlbefinden“, meint der Neurobiologe dazu.

Die Epigenetiker stießen aber auch darauf, dass das Leben und der Lebensstil der Vorfahren Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Es sind Erfahrungen und Erlebnisse vorheriger Generationen, die quasi als epigenetisches Gedächtnis vererbt werden. Hatte beispielsweise der Großvater eine erworbene Diabetes, wächst für Kinder und Enkel die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls eine Diabetes zu bekommen. Das gleiche gilt für Traumata etwa durch Kriege, die noch Generationen später eine höhere Stressanfälligkeit mit sich bringen können. Den Schluss, dass „Opa an allem schuld ist“, lässt Peter Spork aber nicht zu: „Das wäre zu bequem, denn was wir letztlich werden, können wir zu einem großen Teil selbst bestimmen“.

Einen besonderen Schwerpunkt legt er deshalb in seinem Buch auf junge Eltern. In der Zeit von drei Monaten vor der Zeugung bis zum ersten Lebensjahr, so Spork, werden sowohl durch Lebensstil und Lebensumstände der Eltern als auch durch den Umgang mit den Kindern entscheidende Weichen gestellt. Ist die Mutter während der Schwangerschaft extremem Stress ausgesetzt, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Kind besonders stressanfällig wird. Andererseits bringen liebevolle Zuwendung und Geborgenheit in dieser ersten Phase des Lebens dem Kind gute Chancen, die viel zitierte „Resilienz“ zu entwickeln. Das heißt nichts anderes als psychische Widerstandsfähigkeit, geringere Stressanfälligkeit und die Fähigkeit, mit Krisen konstruktiv umzugehen.

Ist die Epigenetik also der Schlüssel, damit alle gesund bleiben und sehr alt werden? Da relativiert Peter Spork die Erwartungen: „Ausgeschlossen ist es nie, dass ernste Erkrankungen auftreten. Man kann aber für seinen Körper die Chancen auf Gesundheit erhöhen und das Risiko von Krankheiten deutlich mindern.“ Peter Spork will sein Buch nicht als typischen Ratgeber verstanden wissen. „Ratgeber machen die Menschen unfrei. Sie gaukeln uns vor, dass wir das eine lassen und das andere machen müssen, um absolutes Wohlbefinden zu erreichen. „Epigenetik“, so gibt er seinen Zuhörern in Kirchheim mit, „erklärt nicht die Welt neu, sie erklärt nur Dinge, die man schon lange aus Beobachtungen kennt.“ Aus seiner Sicht erhöht das Wissen darum zwar die Verantwortung des Einzelnen, gleichzeitig aber auch seine Freiheit, etwas zu bewirken. Man ist eben nicht nur eine „Marionette seiner Gene“.Günter Kahlert

Das Buch: Gesundheit ist kein Zufall, Wie das Leben unsere Gene prägt - Die neuesten Erkenntnisse der Epigenetik, von Peter Spork. Gebunden mit Schutzumschlag, 416 Seiten, 22,99 Euro, ISBN: 978-3-421-04750-2

Zahlen zur Genetik und Epigenetik

30 Billionen Zellen hat der menschliche Körper.

Zwei Meter lang ist der DNA-Faden

23 000 Gene hat der Mensch in jeder Zelle

3,3 Milliarden Bausteine enthält der genetische Text jeder Zelle

50 Millionen Zellen sterben jede Sekunde ab und werden durch neue ersetztgk