Kirchheim

„Wir arbeiten unter Hochdruck“

Reform Zum Jahresende schließen die staatlichen Notariate. Martina Sienz und Susanne Jocham arbeiten in Kirchheim dann freiberuflich. Von Anke Kirsammer

Voraussichtlich ab November nächsten Jahres begrüßen die freiberuflichen Notarinnen Martina Sienz (links) und Susanne Jocham die
Voraussichtlich ab November nächsten Jahres begrüßen die freiberuflichen Notarinnen Martina Sienz (links) und Susanne Jocham die Kunden in der Kirchheimer „Villa“. Ab Januar 2018 sind sie übergangsweise in der Dettinger Straße 129 zu finden.Foto: Jean-Luc Jacques

Die Tage des staatlichen Bezirksnotariats sind gezählt. Am 1. Januar ist die beinahe 200 Jahre währende Tradition in Baden-Württemberg Geschichte. Der Grund dafür ist europäisches Recht. Die derzeit noch mit beamteten Notaren besetzten Bezirksnotariate müssen dann aufgelöst werden.

 

Wer hat die Reform denn beschlossen?

Susanne Jocham: Die Reform wurde bereits 2006 von der damaligen Landesregierung beschlossen. Der Stichtag wurde allerdings um mehr als zehn Jahre aufgeschoben.

Was bedeutet die Reform für die Notariate in Kirchheim und Umgebung?

Martina Sienz: Die staatlichen Notariate, darunter auch die in Kirchheim, Weilheim, Owen und Wendlingen schließen zum Jahresende.

Wer ist dann für Beurkundungen wie etwa bei Immobilienkaufverträgen zuständig?

Susanne Jocham: Das machen künftig freiberufliche Notare. In Kirchheim sind das Martina Sienz und ich. In Weilheim, Owen und Wendlingen gibt es künftig keine Notare mehr.

Wer bestellt die Freiberufler?

Martina Sienz: Das Justizministerium Baden-Württemberg schreibt die Stellen aus. Es legt die Anzahl der Notare und die Amtssitze fest. Die Auswahl der Notare erfolgt nach der sogenannten Bestenauslese, also insbesondere nach Leistungskriterien. Voraussetzung für unsere Bewerbung war, dass wir unseren seitherigen Beamtenstatus aufgeben.

Wo werden die künftigen Notare ausgebildet?

Susanne Jocham: Die in Stuttgart angesiedelte Notarakademie Baden-Württemberg - die einstige Nachwuchsschmiede der Bezirksnotare - hat bereits 2012 die Tore für die Ausbildung geschlossen. Künftig sind Notare Volljuristen, die zusätzlich noch ein dreijähriges Notariats-Assessorat absolvieren müssen.

Was bedeutet die Reform für das Personal?

Martina Sienz: Zunächst einmal musste jeder entscheiden, ob er beim Land bleiben möchte oder nicht. Die im Landesdienst bleibenden Notare und Angestellten wechseln zu den Amtsgerichten. Viele Angestellte werden auch von den freiberuflichen Notaren übernommen. So stellen wir 13 Mitarbeiter ein. Die Grundbuchamts- und Notariatsreform hat aber bereits seit Langem Auswirkungen auf das Notariat. Mit ihr ist ein massiver Personalabzug einhergegangen. Frei werdende Stellen werden häufig nicht mehr besetzt. Das führt dazu, dass das verbleibende Personal immer mehr Arbeit zu bewältigen hat. Die Notare arbeiten aufgrund dieser größten Strukturreform in der Justiz seit dem Bestehen des Landes schon seit Monaten unter Hochdruck. Die Terminkalender sind randvoll. Nach einer Umstellungsphase werden Termine wieder deutlich schneller vergeben.

Wo sind die Grundbuchämter ab 1. Januar angesiedelt?

Martina Sienz: Das Kirchheimer Grundbuchamt wurde bereits im Juni dieses Jahres auf das Amtsgericht Böblingen übertragen. Die Grundakten werden im Grundbuchzentralarchiv in Kornwestheim aufbewahrt.

Wer eine Immobilie oder ein Grundstück kauft, muss für den Eintrag ins Grundbuch also nach Böblingen fahren?

Susanne Jocham: Nein, die Daten übermitteln wir als beurkundende Notarinnen elektronisch an das Grundbuchamt. Grundakten können bei Bedarf auf dem Postweg vom Notar angefordert werden.

Wer ist künftig für weitere Aufgaben des Bezirksnotariats wie Betreuungs- und Nachlasssachen zuständig?

Martina Sienz: Darum kümmert sich ab Januar das Amtsgericht Kirchheim in den seitherigen Notariatsräumen in der Turmstraße 5. Im laufenden Geschäftsbetrieb findet derzeit ein Umbau statt. Auch das kann zu Einschränkungen führen.

Müssen die Bürger damit rechnen, dass Beurkundungen, der Eintrag ins Grundbuch beziehungsweise Betreuungs- und Nachlassangelegenheiten teurer werden?

Susanne Jocham: Die Kosten sind bundeseinheitlich und verbindlich geregelt und ändern sich nicht.

Wo finden die Bürger Sie künftig?

Martina Sienz: Die Suche nach neuen Räumen in Kirchheim gestaltete sich äußerst schwierig. Umso mehr freuen wir uns, unsere Kundschaft voraussichtlich ab November 2018 in der „Villa“ in der Dettinger Straße 95 in Kirchheim willkommen heißen zu dürfen. Ab 1. Januar 2018 sind wir übergangsweise ein paar Häuser weiter in der Dettinger Straße 129 zu finden. An beiden Standorten gibt es genügend Parkplätze.

Die Notarinnen Susanne Jocham und Martina Sienz

In Kirchheim werden Susanne Jocham und Martina Sienz vom 1. Januar 2018 an zu freiberuflichen Notarinnen bestellt. Sie haben bereits als Notarvertreterinnen in Kirchheim zusammengearbeitet. Anschließend waren beide in Stuttgart tätig. Dort wurden sie zu Bezirksnotarinnen ernannt. Susanne Jocham sammelte als Referentin für Internationales Privatrecht und bei Fortbildungen bei der Notarakademie weitere Erfahrung und hielt deutschlandweit juristische Fortbildungen insbesondere für Notare. Derzeit ist sie in Weilheim tätig, bereits ab Dezember zusätzlich jedoch in Kirchheim. Martina Sienz war im Justizministerium Baden-Württemberg für sämtliche Bezirksnotare zuständig und hat dort insbesondere auch die Anfänge der Notariatsreform begleitet. Die Chefin des Notariats Kirchheim ist auch bei der Übertragung von Aufgaben an das Amtsgericht Kirchheim eingebunden. tb