Kirchheim. „Egal, was wir tun, es entsteht immer ein Schaden - gesundheitlich, wirtschaftlich oder gesellschaftlich.“ Das betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei einer Online-Diskussion der CDU-Kreisverbände Esslingen und Böblingen immer wieder. Zur Debatte um Weihnachten meinte er: „Viele der Corona-Intensiv-Patienten werden Weihnachten gar nicht mehr erleben.“ Angesichts dieser Dimensionen sind gewisse Einschränkungen sicher hinnehmbar, wenn sie die Gesundheit möglichst vieler Menschen erhalten helfen: „Auch in der zweiten Welle sind wir in Deutschland besser weggekommen als fast alle unserer Nachbarländer.“
Jens Spahn will die Einschränkungen keinesfalls kleinreden: „Die Pandemie prägt unseren Alltag, wie wir es vor zwölf Monaten alle noch nicht für möglich gehalten hätten.“ Dennoch verfolge die Politik in Deutschland keinen vergleichbar rigiden Weg wie in Südostasien: „Wenn wir so streng vorgehen würden, hätten wir ein Problem mit der Akzeptanz - auch beim Datenschutz.“ Ein Vorteil in Südostasien sei die Geographie: „Wo man fast nur per Flugzeug hinkommt, sind Grenzübertritte leichter zu kontrollieren als bei uns in der Mitte Europas.“
Strategie passt sich der Lage an
Zur Strategie der Bundespolitik, die sich immer wieder dem Vorwurf der Planlosigkeit ausgesetzt sieht, stellt Jens Spahn klar: „Bestandteil der Strategie ist, dass sie sich immer wieder der Lage anpassen muss.“ Das gilt für Schnelltests ebenso wie für Reiserückkehrer. Ein anderer Strategiewechsel: Waren im Frühjahr Schulen und Kindergärten geschlossen, sollen sie nun so lange wie möglich offengehalten werden, weil sonst die nicht vorhandene Betreuung zum größeren Problem wird.
Ein Grund für Flexibilität seien regionale Unterschiede: „In Schleswig-Holstein sind wir bei deutlich unter 50 Infizierten pro 100 000 Einwohnern. Es lässt sich nur schwer vermitteln, dass dort dieselben Maßnahmen gelten sollen wie in Sachsen.“ Die Verhältnisse in Sachsen sind das Argument, das Jens Spahn einem Skeptiker entgegenhält, der gefordert hatte, alle Einschränkungen sofort aufzuheben: „Wir können gerne zusammen nach Sachsen fahren. Dort ist gerade Land unter.“
Der Minister verteidigt den Lockdown: „Aktuell können wir das Virus eben nicht einfach machen lassen. Ich will es nicht verantworten müssen, wenn dann unsere Intensivbetten überfüllt sind.“ Es gehe um ein permanentes Abwägen und nicht um Wahrheiten: „Wir müssen verantworten können, was passiert oder nicht passiert.“ Auch den Vorwurf, die Politik schränke mutwillig bürgerliche Freiheiten ein, weist der Minister aufs Schärfste zurück: „Glauben Sie im Ernst, ich wache morgens auf und überlege mir, wie ich am besten Ihre Freiheit einschränken kann? Glauben Sie wirklich, da hätte jemand Freude dran?“
Das Demonstrationsrecht verteidigt Jens Spahn gleichwohl, wie auch die Meinungsfreiheit: „Man darf glauben, was man will, solange man anderen nicht schadet. Nur das Verhalten einiger Demonstranten macht mich wütend. Man kann auch mit Abstand und Maske demonstrieren - selbst wenn man nichts von der Maske hält.“
Am Ende der Diskussion verbreitet Spahn Optimismus: „Die notwendige Durchimpfungsrate sollte im Spätsommer erreicht sein. Der nächste Herbst und der nächste Winter dürften wieder ziemlich normal werden.“ Alles hänge davon ab, wirksame Impfstoffe zu haben: „Ich habe kein Interesse daran, einen Impfstoff zuzulassen, bei dem etwas schiefgehen kann.“ Andreas Volz