Kirchheim
„Wir stellen ein, was wir können“

Erzieherinnen   Kirchheims Bürgermeisterin Christine Kullen verkündet im Interview einen Kurswechsel bei der Personalpolitik.

Verkürzte Öffnungszeiten, unterbesetzte Kitas, Kinder, die trotz Rechtsanspruch keinen Kindergartenplatz bekommen – steckt Kirchheim in einer Kita-Krise?

Christine Kullen: Zunächst einmal habe ich vollstes Verständnis für die Eltern. Die meisten sind berufstätig. Oft werden die Schließungen sehr kurzfristig angekündigt, und das bringt die Eltern natürlich in große Not. Das ist ein ganz schwieriger Zustand. Die Teilschließungen resultieren aus dem Personalmangel in unseren Kitas, weil überhaupt kein Puffer da ist. Die Personaldecke ist so dünn, dass Krankheitsausfälle zwar nicht zu Einrichtungs-Schließungen, aber zu Schließungen von Gruppen und eingeschränkten Öffnungszeiten geführt haben und führen. Die Leitungen haben teilweise versucht, Ausfälle über die Dienstpläne aufzufangen, die Stadt hat Springkräfte eingesetzt. Aber wenn viel zu wenig Personal da ist, reicht auch das nicht mehr, weil wir den Mindestpersonalschlüssel nicht unterschreiten dürfen. Mit dem Problem stehen wir allerdings nicht alleine da. Wenn man von einer Krise sprechen kann, dann betrifft das flächendeckend das Land Baden-Württemberg, und auch darüber hinaus. Wir haben einen enormen Fachkräftemangel.

Die Kirchheimer Eltern brauchen eine Perspektive. Wann wird sich die Situation wieder entspannen?

Kullen: Im März hatten wir noch 13 unbesetzte Hunderprozent-Stellen. Jetzt sind es noch 9,5 Stellen, und in einem Monat werden es knapp sechs sein. Wir haben es innerhalb von drei Monaten durch massive Werbemaßnahmen geschafft, die vakanten Stellen auf die Hälfte zu reduzieren. Für unseren Springer-Pool konnten wir auch wieder Personal gewinnen. Die Springkräfte, die dauerhaft in Einrichtungen waren, in denen viel Personal gefehlt hat, können wir dann wieder rausnehmen und tatsächlich als Springerinnen einsetzen. Außerdem setzen wir derzeit ein Pilotprojekt um: Wir haben Sekretärinnen für die Leitungskräfte eingestellt. Am 1. Juni startet im Halden-Kindergarten in Ötlingen eine neue Mitarbeiterin mit einem Beschäftigungsumfang von 50 Prozent, die die Leitung unterstützen soll. Eine weitere große Einrichtung folgt. 

Weilheim hat die Kita-Zeiten dauerhaft gekürzt, zu Lasten der Ganztagsbetreuung. Ist das nicht der ehrlichere Kurs, als immer wieder kurzfristig Betreuungszeiten zu kürzen?

Wir haben ohnehin schon zu wenige Plätze mit verlängerten Öffnungszeiten und Ganztagsplätze. Wenn wir jetzt auch noch die vorhandenen Betreuungszeiten kürzen, könnte das keiner nachvollziehen. Wir wollen verlässliche Betreuung anbieten, und ich hoffe, dass wir bald auch wieder das Personal dafür haben.

Andere Gemeinden starten Ausbildungsoffensiven. Und Kirchheim?

Auch wir bauen da massiv aus. In der vorletzten Woche hatten wir sehr vielversprechende Vorstellungsgespräche mit Kandidatinnen. Da stellen wir ein, was wir können.

Auch über den Mindestpersonalschlüssel hinaus?

Ja. Wir werden jetzt auch für die freien Träger die Möglichkeit eröffnen, die Anerkennungspraktikanten und die PiA-Ausbildung höher zu bezuschussen. Das kommt uns allen zugute, wenn die Erzieherinnen und Erzieher in der Stadt bleiben, egal bei welchem Träger. Auch die freien Träger haben ähnliche Probleme, ihre Stellen zu besetzen, wie wir als Stadt.

Beobachter sagen, dass in Kirchheimer Kitas immer nur so viel Personal eingestellt wurde wie absolut notwendig. Rückt die Stadt von diesem Kurs ab?

Es ist mein Ziel, dass wir über den Mindestpersonalschlüssel hinaus besetzen. Unter anderem, um den Erzieherinnen verlässliche Verfügungszeiten – das ist die Vorbereitungszeit, die die Erzieherin nicht am Kind verbringt –  garantieren zu können. Je nachdem, wie die Personalsituation ist, wird die Verfügungszeit oft zugunsten der Zeit am Kind reduziert. Das ist natürlich kein Dauerzustand. Auch die Leitungsfreistellung können unsere Kita-Leitungen aufgrund des Personalmangels nicht in Anspruch nehmen. Nach und nach wollen wir die Qualität der Betreuung in den Kitas wieder steigern und weiterentwickeln. Dazu zählt für mich, dass die Kita-Fachberatung personell besser ausgestattet wird, damit sie die Kitas mit den steigenden pädagogischen Herausforderungen stärker unterstützen kann, denn der Bedarf ist groß. 

Was tut die Stadt noch, um Personal zu gewinnen?

Anders als in der Vergangenheit stellen wir jetzt auch Kinderpflegerinnen und Quereinsteiger ein, geben ihnen aber die Perspektive, dass sie mit Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen als Erzieherinnen arbeiten können und entsprechend einer Erzieherin gehaltlich eingruppiert sind.