Kirchheim

Wird die 20. Musiknacht die letzte sein?

Kult Am Samstag geht wieder das große Musikspektakel über die Bühnen der Kirchheimer Innenstadt. Doch die Zukunft ist ungewiss. Von Günter Kahlert

Stimmung ist garantiert bei der 20. Kirchheimer Musiknacht am Samstag.Archiv-Foto: Torsten Wenzler
Stimmung ist garantiert bei der 20. Kirchheimer Musiknacht am Samstag. Archiv-Foto: Torsten Wenzler

Ein Mann, ein Wort: Andreas „Anne“ Kenner hatte angekündigt, sich mit 60 aus dem Organisationsteam der Kirchheimer Musiknacht zurückzuziehen, nach der 20. Ausgabe ist tatsächlich Schluss für ihn. Seine zusätzlichen Verpflichtungen als Landtagsabgeordneter seit 2016 machen es ohnehin immer schwerer, sich in seiner Freizeit um die Sache zu kümmern.

 

Aber in Frage steht die Zukunft des größten Sommerfestes in Kirchheim nicht wegen des Rückzugs von „Anne“ Kenner. Michael Holz, mit seinem Team der verbliebene „Musiknacht-Macher“, redet Klartext: „Die Auflagen werden jedes Jahr schärfer, es wird immer komplizierter und teurer. Die Kosten fliegen uns um die Ohren.“

 

Beispiel eins: Drei Wochen vor der Veranstaltung werden plötzlich 20 zusätzliche Sicherheitsleute für die obere Dettinger Straße verlangt. Die Kosten sind erheblich, der Effekt unklar. „Sollen die den Leuten das Bierglas aus der Hand nehmen oder sie heimschicken?“, fragt sich Andreas Kenner.

 

Beispiel zwei: erstmals wird eine kostenpflichtige Rotkreuz-Truppe inklusive Notarzt vor Ort gefordert, obwohl seit langem eine (kostenlose) Absprache mit dem Kirchheimer Krankenhaus existiert, dass an dem Abend besondere Bereitschaft ist und man „ohnehin nur ein paar Meter fahren muss“. Und das alles, obwohl in den 20 Jahren Musiknacht noch nie irgendwelche besonderen Vorkommnisse waren, wie Michael Holz betont.

 

Ein weiteres Ärgernis für den Ex-Bären-Wirt ist allerdings ein spezielles Vorgehen des Kirchheimer Ordnungsamtes. Das genehmigt zusätzliche Stände für Essen und Trinken, von denen die Musiknacht-Macher nichts wissen. „Die werden als externe Trittbrettfahrer genehmigt, stehen dann da, brauchen zum Beispiel Starkstrom, und wir sollen uns darum kümmern“, ärgert sich Michael Holz. Klare Ansage: „Wir arbeiten aneinander vorbei. Das werde ich nächstes Jahr auf keinen Fall mehr so machen!“ Auch Andreas Kenner kann zu den Schwierigkeiten - oder sollte man sagen eigenartigen Vorfällen - rund um die Musiknacht eine Menge erzählen. Er versteht beispielsweise nicht, warum Wirte, die das ganze Jahr über Gastronomie betreiben, ausgerechnet während der Musiknacht „Besuch“ vom Wirtschaftskontrolldienst bekommen.

 

Für Michael Holz ist klar: „Die Stadt muss ein Signal setzen, ob sie die Musiknacht überhaupt will.“ Deshalb wollen sich die Macher auch nach der Musiknacht 2017 mit der Stadt zusammensetzen und über die Zukunft beraten. Vorstellung: Die Aufgaben werden klar verteilt. Das Musiknachtteam organisiert die Musik, die Bühnen, die Ton- und Lichttechnik, die Stadt übernimmt alles, was mit den Essensständen zu tun hat, und kümmert sich um die Reinigung und die verkehrsrechtlichen Anordnungen. Die Wirte bleiben wie seither auch für ihren Bereich verantwortlich.

 

„Warum sollte das Team der Musiknacht dafür verantwortlich sein, wenn in einer Gaststätte nachts um drei bei offenem Fenster noch laute Musik läuft, wenn dies in dieser Gaststätte das ganze Jahr so der Fall ist?“, meint Andreas Kenner. Er fände es auch gut, wenn das Stadtmarketing in Zukunft bei den Besprechungen mit am Tisch sitzt, um das riesige Werbepotenzial der Musiknacht für die Stadt besser zu nutzen. „Da kommen bis zu 15 000 Menschen in die Stadt, es ist eine unglaublich positive Veranstaltung mit Außenwirkung und ein echter Wirtschaftsfaktor“, meint der Kirchheimer Stadtrat und Landtagsabgeordnete. Kleines Indiz: Michael Holz brauchte noch Zimmer für einige Musiker. Keine Chance, alles in der Gegend ausgebucht - von Besuchern der Musiknacht.

 

Aber bei all dem Ärger und den Überlegungen rund um die Musiknacht sollte nicht ins Hintertreffen geraten, dass es natürlich wieder eine grandiose Veranstaltung wird. 74 Bands und DJs an 49 Veranstaltungsorten, das muss man erst mal hinkriegen. Die Kirchheimer Musiknacht hat längst so ein Renommee, dass die Bands quasi Schlange stehen. Andreas Kenner: „Wir könnten locker fünf Musiknächte machen, es wird immer schwieriger zu entscheiden, wer und wer nicht.“ Angesichts seines Ausstiegs aus dem Team erinnert er sich auch ein bisschen nostalgisch an die Anfänge. „In den ersten Jahren war es gar nicht so organisiert. Wir hatten keine Werbung, wir hatten einfach Lust dazu.“ Hervorgegangen ist es aus der Initiative „Fête de la ­musique“ von Werner Dannemann, die zwei Jahre in Kirchheim lief. „Als es Werner über den Kopf wuchs, haben wir weitergemacht“, erzählt „Anne“ Kenner. Im Laufe der Jahre wurde es immer professioneller, die drei sammelten immer mehr Erfahrung. Vom Start 1998 mit 24 Gruppen bis heute ist daraus ein riesiges Fest in der Innenstadt geworden, das weit über die Landesgrenzen bekannt ist. Und es geht quer durch die Musikstile: Rock, Pop, Blues, Schlager, Punk, Latin, Country, Beat - eigentlich eine abenteuerliche Mischung, aber genau das macht den Reiz der Kirchheimer Musiknacht aus.

 

Feiern von mittags bis in die Nacht

Aufzuzählen, wer wann wo um wie viel Uhr spielt, ist müßig, dafür gibt es wie immer das umfangreiche Info-Booklet, das überall in Gaststätten, Kneipen und vielen Geschäften ausliegt. Außerdem ist alles auch im Internet auf „musiknacht.tv“ zu finden.

 

Nur so viel: Auftakt ist um 12.30 Uhr vor dem Rathaus mit Begrüßung durch Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und dem Auftritt der „African Vocals“ aus Namibia. Quasi parallel dazu starten am „Wachthaus“ Günther Scheurings „Rumblers“, da wird es sich Andreas Kenner auch dieses Jahr garantiert nicht nehmen lassen, bei ein paar Stücken mit seiner „Blues Harp“ einzusteigen. Richtig durchgestartet wird dann ab 18 Uhr, Schluss ist draußen um 24 Uhr.

 

Allerdings geht es in vielen „locations“, wie es neudeutsch heißt, drinnen weiter bis maximal 5 Uhr morgens. Die Eintritts-Buttons kosten wie bisher 13 Euro im Vorverkauf und 15 Euro am Samstag. Bis 14 Jahre ist der Eintritt frei, damit soll Familien der Besuch der Musiknacht erleichtert werden. Auch das im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen ungewöhnlich - und ein weiterer Sympathie-Bonus für das Musikfest in der Kirchheimer ­Innenstadt. Günter Kahlert