Kirchheim
WM-Boykott: Die Rote schmeckt auch ohne Fußball

Großevent Für Gastwirte ist eine Fußball-WM der Umsatzbringer schlechthin. Doch in diesem Jahr ist alles anders, auch in Kirchheim: Manche boykottieren die Übertragung, andere suchen kreative Lösungen. Von Thomas Zapp

Stell Dir vor, es ist WM und keiner schaut zu. In vielen deutschen Städten haben Verbände und Gastronomen zum Fernsehboykott der Endrunde in Katar aufgerufen: Statt Public Viewing bleibt vielerorts der Bildschirm schwarz. So macht es beispielsweise Udo Kälberer, Inhaber des Teckkeller in Kirchheim:  Wenn die deutsche Nationalmannschaft am 27. November gegen Spanien und am 1. Dezember gegen Costa Rica  spielt, heißt es bei ihm im Biergarten ab 19 Uhr: Rote Wurst statt rote Karten und Livemusik statt Fußball, das ganze im Biergarten zwischen Feuerfässern: Boycott Quatar! „Das ist der einzige Weg des Protestes, in dem man die Einschaltquoten crasht“, meint Kälberer. Der Dezember sei für Gastronomen sowieso unmöglich, im Sommer kämen 250 Leute in seinem Biergarten, aber im Winter? Die anderen Spiel zeigt er gar nicht. Der Wirt ist beim Thema Fußball konsequent, und die Resonanz bei seinen Gästen und im Bekanntenkreis sei sehr gut, meint er.  

Die Spiele medial zu boykottieren und den Fernsehsendern schlechte Quoten zu bescheren, damit wollen bundesweit Gastronomen gegen die WM-Land mit fragwürdigen Arbeitsbedingungen zu protestieren. Doch in Kirchheim halten das längst nicht alle für sinnvoll: „Ich stelle fest, das in den letzten Wochen und Monaten ein richtiges WM-Bashing stattgefunden hat“, sagt Thomas Heidkamp, Inhaber der Sportsbar Bistro 93 an der Jesinger Straße in Kirchheim. Der Zeitpunkt der WM-Vergabe an Katar vor knapp zwölf Jahren wäre seiner Ansicht nach der richtige Zeitpunkt für einen Protest gewesen. Und auch danach hätten die Verbände viele Gelegenheiten gehabt, einen gemeinsamen Boykott zu organisieren. „Das jetzt einzufordern, ist bequem und ich empfinde das als Heuchelei“, sagt er. Für ihn als Betreiber einer Sportsbar ist es keine Frage, die Spiele zu zeigen: Wenn Deutschland spielt, um 14 Uhr, sonst alle anderen Spiele ab 17 Uhr. „Argentinien gegen Saudi-Arabien um 11 Uhr braucht keiner“, glaubt der Fußballfan.

So hält es auch Deny Scarlino vom Wilden Mann in der Kirchheimer Innenstadt. „Wir zeigen Deutschland-Spiele zu jeder Uhrzeit, sonst alle WM-Spiele ab 17 Uhr.“ Den Boykott-Aufruf kann er prinzipiell verstehen, nur: „Mit GEZ-Geldern wurden 48 Spiele gekauft. Was bringt das, wenn ich jetzt boykottiere?“ Ganz davon abgesehen ist es für eine Bar wie den Wilden Mann eine zentrale Rolle. „Ich habe jedes Ab und zahle pro Monat allein 1300 Euro an Gebühren“, sagt er. Zwar hat er keine Ahnung, wie es laufen wird, aber Champions League und Bundesliga werden gut geschaut. „Ich hatte sogar überlegt, eine Terrasse zu öffnen, aber das macht bei den Temperaturen keinen Sinn“, meint er. 

Dirk Storm vom „Pub Storm’s“ am Marktplatz in Kirchheim plant zweigleisig: „Im ersten Stock wird es fünf Bildschirme die Spiele mit Live-Kommentar geben und je nach Gegner vielleicht auch ein paar Besonderheiten, etwa Paella zum Spiel gegen Spanien“, sagt er. Im Erdgeschoss laufen die Spiele ohne Ton auf den zwei Bildschirmen. Ob er eventuell erweitert, wenn Deutschland in die K.O.-Runde kommt, lässt Dirk Storm noch offen. Die Resonanz auf die Vorrunde kann er auch noch nicht abschätzen: Außer dem Spiel Deutschland gegen Japan um 14 Uhr wird er die Fernseher immer erst ab 17 Uhr anstellen.

Kein Public Viewing

Für ein richtiges „Public Viewing“ ist bei der Stadt nur ein Antrag eingegangen und der kam von Waldhorn-Inhaber Robert Ruthenberg. „Wir hatten die Idee, einen Pavillon vom Weindorf mit mehreren Bildschirmen auf dem Kirchheimer Marktplatz aufzustellen." Doch die Stadt hat die Erweiterung der Sonderlizenz für den Marktplatz abgelehnt. Stattdessen wird es auf der Terrasse des „Holz und Feuer“ auf dem Bildschrim die Vorrunden-Spiele zu sehen geben, momentan aber nur dort. „Mit Decken und Glühwein, also eine Art Weihnachtsfußball“, sagt Ruthenberg lachend. Sollte Deutschland in die K.O.-Runde weiterkommen und doch so etwas wie WM-Fieber aufkommen, wird er auch im Innenbereich die Fünf-Meter-Leinwand aufbauen.

Vielleicht kommt sie ja noch in Kirchheim auch, die „richtige“ WM-Stimmung – das hängt jetzt vor allem von der Nationalmannschaft ab. 

 

Die Fußball-WM im TV

Insgesamt 48von 64 WM-Spielen sind bei den Öffentlichen Rechtlichen frei empfangbar. Alle Spiele live gibt es für deutsche TV-Zuschauer nur bei MagentaTV.

Los geht es am Sonntag, 20. November, um 17 Uhr mit der Partie des Gastgebers Katar gegen Ecuador,, das vom ZDF übertragen wird. In der ARD ist dann am Mittwoch, 23. November um 14 Uhr das erste Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Japan zu sehen. Das zweite Gruppenspiel der Deutschen gegen Spanien überträgt das ZDF am Sonntag,, 27. November, um 20 Uhr. Das Gruppenspiel Costa Rica gegen Deutschland am Donnerstag, 1. Dezember um 20 Uhr zeigt dann wieder die ARD.

Auch das WM-Finale am Sonntag, 18. Dezember wird im ersten deutschen Fernsehen laufen.