Kirchheim

Wunsch nach „Legalisierung“Kommentar

Traum und Wirklichkeit klaffen oft weit auseinander: Es ist verständlich, dass die Anwohner – vor allem diejenigen, die südwestlich der Schienen wohnen – sich einen ebenerdigen Bahnübergang am Südbahnhof wünschen. Das wäre ihr Traum. Die Wirklichkeit sieht aber völlig anders aus. Auf Jahre hinaus wird die Unterführung die einzige offiziell anerkannte Möglichkeit bleiben, auf die andere Seite zu kommen. Das ist der eine Teil der Realität. Der andere Teil ist die gängige Praxis: So gut wie jeder, der einigermaßen gut zu Fuß ist, geht direkt über die Gleise. Mitunter sind da auch mitgeführte Fahrräder und selbst Rollatoren kein Grund, den gefährlichen Überweg zu scheuen.

Deswegen wäre es also aus Sicht der Anwohner nur folgerichtig, die gängige Praxis so schnell wie möglich zu „legalisieren“. Das Argument der erhöhten Gefahr lassen die Anwohner für einen ungesicherten Bahnübergang so nicht gelten, wo sie sich doch selbst regelmäßig einer noch viel größeren Gefahr aussetzen: der Überquerung der Gleise, ohne dass es einen Übergang gibt, noch nicht einmal einen ungesicherten.

Aus Sicht der Bahn sieht das freilich ganz anders aus: Wer die Gleise einfach so und unbefugt überschreitet, tut das auf eigenes Risiko. Gäbe es dagegen einen offiziellen Übergang, der durch nichts anderes als durch Andreaskreuze markiert ist, stünde die Bahn ganz anders in der Pflicht. Wenn dann doch etwas passieren würde, müsste sich die Bahn rechtfertigen und nicht mehr derjenige, der vom Zug erfasst worden ist. Also will die Bahn sicher keine neuen Risikofaktoren schaffen. Die vorhandene Praxis braucht die Bahn nicht zu kümmern, weil das, was da gemacht wird, ja verboten ist.

Vielleicht könnte sich der Wunsch nach einem technisch ungesicherten Übergang ganz einfach durch ein Experiment aus der Welt schaffen lassen: Wenn die Bahn probeweise einmal einen Monat lang am Kirchheimer Südbahnhof das Pfeifsignal einsetzt, das bei dieser Art Übergang obligatorisch ist, gründen die Anwohner möglicherweise eine Bürgerinitiative gegen die lästige „Huperei“. Was dann als Alternative bleibt, ist der beschrankte Bahnübergang. Dafür müssten sich aber völlig neue Gesichtspunkte ergeben, sonst sagt die städtische Haushaltslage auf Jahre hinaus klar und eindeutig nichts anderes als „Nein“.ANDREAS VOLZ