Kirchheim
Zum Tod von Kai Wiedenhöfer: Er hatte den Blick für das Wesentliche

Nachruf Mit seiner Kamera hat der aus Kirchheim stammende Dokumentar- und Kriegsfotograf Kai Wiedenhöfer die Folgen der internationalen Kriege sichtbar gemacht. Jetzt ist er verstorben. Von Katja Eisenhardt

Kai Wiedenhöfer wurde am 3. März 1966 in Schwenningen geboren und ist in Kirchheim aufgewachsen. Bis zu seinem plötzlichen Tod lebte der international renommierte Fotograf seit vielen Jahren in seiner Wahlheimat Berlin.

Sein Interesse für die Fotografie entwickelte er bereits zu Schulzeiten. So spielte sie etwa im Kunst-Leistungskurs am Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasium eine Rolle. Thematisch habe er bereits im Teenageralter ein großes politisches Interesse am Nahen Osten gehabt. Im Politikunterricht sei 1982 der damals aktuelle Libanonkrieg Thema gewesen, erzählte Kai Wiedenhöfer bei einem Teckboten-Interview vor mehreren Jahren. Überall seien damals die Informationen zu den Geschehnissen präsent gewesen, wenngleich es für die Medien mangels Internet oder sozialer Medien an sich noch schwieriger gewesen sei, diese zu verbreiten.

Großes Interesse an Politik

An der Essener Folkwang Universität der Künste schrieb sich der Kirchheimer nach dem Abitur ab Oktober 1989 für den Studiengang Kommunikationsdesign mit den Schwerpunkten „Buch- und Magazingestaltung und Dokumentarfotografie“ ein. Kaum mit dem Studium gestartet, erreichte den angehenden Bildjournalisten während einer Vorlesung die Nachricht vom Fall der Berliner Mauer. Im SWR2-Podcast „Kultur aktuell“ erinnerte sich Kai Wiedenhöfer im August letzten Jahres an das einschneidende Erlebnis. Am späten Abend des 9. November 1989 machte er sich mit Freunden im Auto auf den Weg nach Berlin. In den frühen Morgenstunden erreichten die jungen Leute den Potsdamer Platz. Mit den damals entstandenen Schwarz-Weiß-Aufnahmen begann für den angehenden Fotografen eine Art Lebensthema, erfährt man im Podcast: die fotografische Dokumentation von Sperranlagen an politisch umstrittenen Grenzen. Über Jahrzehnte hat Kai Wiedenhöfer solche in Europa, Asien und den südlichen USA fotografisch festgehalten. Zwischen August und November 2023 hat die Städtische Galerie in Schorndorf einen Auszug der Bilder unter dem Titel „Confrontier“ – einer Wortkreation aus Begriffen für Grenze und Konflikt – ausgestellt.

Bereits während seines Studiums war Kai Wiedenhöfer in den Ferien regelmäßig im In- und Ausland unterwegs, um zu fotografieren. 1989 erstmals in Jerusalem und den besetzten Gebieten. Den israelisch-palästinensischen Konflikt hat er schließlich über mehrere Jahre fotografisch dokumentiert. Anfang der 90er-Jahre studierte Kai Wiedenhöfer an der Universität in Damaskus Arabisch. Aus ganz praktischen Gründen, wie er einst erzählte. Man könne so autonom in den arabischsprachigen Ländern wie Syrien, dem Libanon oder Jordanien arbeiten und brauche keinen Übersetzer. Durch die Sprache habe er einen persönlichen Zugang zu den Menschen im Land bekommen. Das habe sich auf den vielen Auslandseinsätzen in den Kriegsgebieten bestätigt und das spiegeln auch seine vielfach ausgezeichneten Bilder wider. 2002 und 2004 wurde er jeweils im Rahmen des World Press Photo Award ausgezeichnet, einem der weltweit renommiertesten Preise im Fotojournalismus.

Ab 2012 fotografierte er das vom Krieg zerstörte Syrien und seine Bewohner. 2014 begann Kai Wiedenhöfer mit einer Dokumentation über kriegsversehrte syrische Flüchtlinge, die er im Libanon und in Jordanien traf. 2016 erschienen sein Bildband „Syrian Collateral“, welcher 40 Porträts syrischer Kriegsverletzter sowie 22 Panoramaaufnahmen völlig zerbombter Häuser und Städte beinhaltet, darunter Bilder aus Kobane nahe Aleppo im Norden Syriens. Im selben Jahr waren die Bilder in der Fotoausstellung „WARonWALL“ auf 360 Metern der Berliner Mauer zu sehen. „Es geht mir darum, mit meinen Bildern die Kriegsrealität zu vermitteln. Ich möchte die Folgen des Krieges zeigen und nicht das Ereignis oder die Kriegshandlung an sich. Man muss dort gewesen sein, um die Zustände beschreiben zu können.“ Das war sein Credo.