Kirchheim

Zurück in die Zukunft

Artenschutz In Neidlingen gibt es wieder einen Hutewald. Das Projekt im Naturschutzgebiet Erkenbergwasen gilt bereits zwei Jahre nach dem Start als ausgesprochen erfolgreich. Von Thomas Krytzner

Esel, Ziegen und Schafe sorgen für eine optimale Abgrasung auf der Hutewaldfläche. Krytzner
Esel, Ziegen und Schafe sorgen für eine optimale Abgrasung auf der Hutewaldfläche. Foto: Thomas Krytzner

Wer auf den Höhen über Neidlingen unterwegs ist, reibt sich verwundert die Augen: Mächtige, ausladende Laubbäume mit überhängenden Ästen prägen das Landschaftsbild, dazwischen grasen friedlich Schafe, Ziegen und mittendrin zwei Esel. Vor 200 Jahre war dieser Anblick alltäglich, da die Bevölkerung ihr Vieh zur Futtersuche noch in die Wälder trieb. Das Grünland war zu wertvoll, und das Gras wurde gebraucht, um Heu für den Winter zu schaffen.

Obstbauer Karl Burkhardt (rechts) zeigt interessierten eine weitere mögliche Wiese für das Hutewaldprojekt. Foto Thomas Krytzner
Obstbauer Karl Burkhardt (rechts) zeigt Interessierten eine weitere mögliche Wiese für das Hutewaldprojekt. Foto: Thomas Krytzner

Der Wald wurde also doppelt genutzt: Einerseits lieferte er Holz zum Heizen, andererseits war er Futterstelle für das Nutzvieh. Diese historische Bewirtschaftungsform ließ den Wald offener und lichter werden. Dadurch entstand Lebensraum für viele Vögel, Insekten und Reptilien, die heute vom Aussterben bedroht sind. Umso mehr rücken die lichten Wälder für den Naturschutz jetzt in den Vordergrund.

Vor zwei Jahren wurde das so genannte Hutewald-Projekt in Neidlingen angestoßen. Da musste allerdings zuerst einmal die rechtliche Grundlage für die Beweidung des Waldes geschaffen werden. Diese Art der Nutzung ist nämlich nach geltendem Waldgesetz nicht erlaubt. Rund 20 Hektar Hutewald-Fläche wurden schließlich in Neidlingen ausgewiesen. Mit der Beweidung einer vier Hektar großen Fläche startete das Projekt.

Karl Burkhardt, Bauhofmitarbeiter und Obstbauer, stellte eine Herde von vierbeinigen Landschaftspflegern zusammen. Dazu gehören Ziegen, Schafe und auch zwei Esel. Die Anzahl der Tiere richtet sich jeweils nach der Größe der Fläche. Die Waldbereiche werden für die Dauer der Beweidung jeweils mit einem Elektrozaun versehen.

Ester Gerhards vom Landschaftserhaltungsverband und Obstbauer Karl Burkhardt zeigen interessierten die verschiedenen Hutewaldste
Ester Gerhards vom Landschaftserhaltungsverband und Obstbauer Karl Burkhardt zeigen interessierten die verschiedenen Hutewaldstellen in Neidlingen. Foto: Thomas Krytzner

Für Karl Burkhardt und sein Team ist das Aufstellen der Zäune im unwegsamen Gelände mit großen Anstrengungen verbunden. Und der Aufwand wiederholt sich immer wieder, da die Herde von einem Teilstück zum anderen wandert. Die Weidetiere beißen dabei die aufkommenden Baumsämlinge ab, dadurch entsteht eine artenreiche Krautschicht.

Für Ärger sorgen gelegentlich die Kolkraben, wie Karl Burkhardt erklärt: „Die Vögel sind eine große Gefahr für die Lämmchen. Entfernt sich eine Mutterziege auch nur kurz von ihrem Nachwuchs, sind sofort die Kolkraben da und töten die Kleinen.“ Da die Vögel aber unter Naturschutz stehen, bleibt den Landschaftspflegern nur, die Lämmchen während der ersten Woche zu bewachen oder im Stall einzusperren. Er ist jedoch vom Projekt begeistert: „Die Tiere leben hier oben in einer Harmonie und lieben die saftigen Gräser und Weiden als Futter.“ Die Beweidung im Wald hat einen weiteren Vorteil. „Bei der Hitze in den Sommermonaten brauchen die Tier Schatten und den finden sie im Wald.“

Die Zielgruppe des Hutewalds scheint zufrieden.
Die Zielgruppe des Hutewalds scheint zufrieden. Foto: Thomas Krytzner

Heute managt der Landwirtschaftserhaltungsverband (LEV) des Landkreises Esslingen das Hutewald Projekt. Er kümmert sich um die finanzielle Förderung und koordiniert verschiedene Maßnahmen. Dazu gehören die Nachpflege der Flächen und das Weidemanagement. Wie Esther Gerhards vom LEV berichtet, läuft das Projekt gut. Die Beteiligten ziehen an einem Strang. Zwei ortsansässige Schäfer waren von Anfang an mit im Boot. Die Tiere nehmen die neue Futterquelle sehr gut an. Esther Gerhards freut sich: „Nach zwei Jahren kann man die offenen Waldbereiche schon erkennen.“ Und für den Artenschutz ist das Projekt jetzt schon sehr erfolgreich: „Im Altholz einer alten Buche entdeckten wir ein großes Vorkommen des Alpenbocks, einer europaweit geschützten Käferart.“

Was ist ein Hutewald?

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Der Hutewald, in Norddeutschland auch Hudewald genannt, ist ein als Weide genutzter Wald. Man spricht auch von einer Waldweide. Bei dieser Art der Nutzung und Viehhaltung wurde früher das Nutzvieh in Gebieten, deren natürliche Vegetation weiträumig oder fast flächendeckend aus Wald bestand, in den Wald getrieben, um sich dort Futter zu suchen. So entstanden im Laufe der Zeit lichte bis fast offene, parkartige Wälder bis hin zu Weiden mit vielen Bäumen. Es ergab sich ein mehr oder weniger fließender Übergang zur offenen Hutweide. Hutewald und Hutweide sind also alte Kulturlandschaften. Heute werden sie im Hinblick auf den Artenschutz bedrohter Vögel und Insekten wieder vermehrt gefördert. kry