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20 500 Vollzeit-Beschäftigten im Kreis droht Hartz IV

Rente Da viele Arbeitnehmer weniger als 2 200 Euro brutto verdienen, haben sie im Alter nicht genug Geld.

Region. Gefangen im Niedriglohn: 20 500 Vollzeit-Beschäftigte im Landkreis Esslingen verdienen weniger als 2 200 Euro brutto im Monat. Das sind 14 Prozent aller Menschen, die hier sozialversicherungspflichtig die volle Stundenzahl arbeiten. Darauf hat die IG Bauen-Agrar-Umwelt hingewiesen. Sie beruft sich auf eine Statistik der Arbeitsagentur. Gewerkschafter Mike Paul warnt: „Wer heute in Vollzeit weniger als 2 200 Euro verdient, der ist mit hoher Wahrscheinlichkeit im Alter auf staatliche Stütze angewiesen.“ Das ergebe sich aus Berechnungen der Bundesregierung. Danach muss ein Vollzeit-Arbeitnehmer im Schnitt mindestens 12,63 Euro pro Stunde verdienen, um nach 45 Beitragsjahren bei der Rente oberhalb der staatlichen Grundsicherung zu landen. „Einige werden zwar das Glück haben, dass der Ehepartner besser verdient und so die Renten-Haushaltskasse später aufbessert. Doch für viele ist die Rente selbst dann extrem knapp“, sagt Paul.

„Von der Arbeit leben können“

Für den IG-BAU-Bezirksvorsitzenden ist das ein unhaltbarer Zustand: „Altersarmut trotz Vollzeit - das kann nicht sein. Wer jeden Tag acht Stunden malocht, der muss von seiner Arbeit auch leben können.“ Paul spricht von einem Ausufern des Niedriglohnsektors, dem die Politik zu lange zugeschaut habe: „Bei vielen Beschäftigten ist die Angst groß, in Hartz IV abzurutschen. Deshalb akzeptieren sie auch Niedriglöhne. Etliche Unternehmen nutzen das schamlos aus. Sie zahlen kaum mehr als den gesetzlichen Mindestlohn.“ Dabei hätten die meisten Betriebe durchaus Spielräume, mehr zu bezahlen.

Eine wichtige Absicherung gegen derartige Armutsrenten sind Tarifverträge, sagt die IG BAU. So lag der durchschnittliche Tariflohn nach der letzten bundesweiten Berechnung bei 17,90 Euro pro Stunde - und damit deutlich über dem allgemein anerkannten Armutsrisiko.

Ein gelernter Bauarbeiter verdient nach Tarif sogar 20,63 Euro in der Stunde. Anspruch auf eine tarifliche Bezahlung haben allerdings nur Beschäftigte, die Gewerkschaftsmitglied sind und deren Betrieb einem Arbeitgeberverband angehört.

In Zeiten eines massiven Fachkräftemangels im Handwerk sollten Arbeitnehmer auf den Tariflohn bestehen und ihrem Unternehmen Druck machen, rät die IG BAU. In Tarifverträgen seien oft auch Betriebsrenten vereinbart - eine zusätzliche Absicherung gegen Altersarmut. Paul verweist auf das Modell vom Bau. Dort werden Beiträge von der Sozialkasse der Bauwirtschaft (Soka-Bau) eingezogen und später als monatliche Tarifrente ausgezahlt. Je nach Höhe und Dauer der Beiträge kann die monatliche Extra-Rente mehr als 200 Euro ausmachen.pm