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Ackerfläche ist bedroht

Umwelt Der BUND Kirchheim lehnt ein Gewerbegebiet am „Hungerberg“ ab und spricht sich stattdessen für ein modellhaftes Projekt zur Integration von Landwirtschaft, Naherholung und Naturschutz aus.

Boden, so Hüseyin, sei die endlichste aller Ressourcen und nicht vermehrbar. Neue Gewerbegebiete wie am Hungerberg seien Gift fü
Boden, so Hüseyin, sei die endlichste aller Ressourcen und nicht vermehrbar. Neue Gewerbegebiete wie am Hungerberg seien Gift für das Klima. Foto: Carsten Riedl

In Kooperation mit der regionalen Wirtschaftsförderung beabsichtigt die Verwaltungsgemeinschaft Kirchheim-Dettingen-Notzingen die Ausweisung eines Gewerbegebietes am „Hungerberg“, dagegen bezieht der BUND Kirchheim in einer Pressemitteilung Stellung.

In der ganzen Region Stuttgart sollen 320 Hektar Gewerbefläche gesichert werden, trotzdem bestreitet der Regionalverband deren Verfügbarkeit und leitet daraus die Forderung nach einem „Strategischen Vorhaltestandort“ am Hungerberg ab. In den vom Regionalverband vorgelegten Dokumenten sei die fehlende Verfügbarkeit der eigentlich gesicherten Flächen nicht mit Fakten belegt. Für die Wirtschaft sei eine Neubebauung immer günstiger und damit attraktiver als die in der Regel mögliche Umstellung von Fertigung auf der Bestandsfläche. Das geplante, zunächst 42 Hektar große Gewerbegebiet „Hungerberg“ liegt im regionalen Grünzug und im Suchraum für den landesweiten Biotopverbund. Es verfüge über hohe Entwicklungspotenziale für Naturschutz und Naherholung. Laut behördlicher Einschätzungen seien die Böden im Gebiet von hoher bis sehr hoher Bedeutung für die Erzeugung von Nahrungsmitteln. Dazu kommt eine in Teilen sehr hohe Bedeutung für die Grundwasserneubildung. Zudem ist das Gebiet Kaltluftproduktions- und Kaltluftsammelgebiet für die Stadt Kirchheim.

Um den geplanten Bodenverlust zu kompensieren, schlägt die Verwaltungsgemeinschaft die effektive Flächennutzung durch das Gewerbe und die Begrünung von Gebäuden durch Oberbodenauftrag vor. Die geforderte effektive Flächennutzung sei nicht mit konkreten Maßnahmen wie zum Beispiel dem Verbot offener Parkplätze hinterlegt. Als ausgleichende Maßnahme für die Landschaftsentwicklung ist die Umwandlung von insgesamt 25 Hektar Ackerflächen in landschaftsästhetisch hochwertigere Standorte wie Wiesen, Streuobstwiesen oder Auwald vorgesehen. Der Bodenverlust wird laut dem BUND nicht ausgeglichen. Der Verlust an Ackerfläche belaufe sich somit auf 60 Hektar.

Deutschland besitzt zwölf Millionen Hektar Ackerfläche und importiert laut einer aktuellen Studie des statistischen Bundesamtes Nahrungsmittel von rund 5,5 Millionen Hektar Ackerfläche aus dem Ausland - davon 1,6 Millionen Hektar aus Brasilien. Die EU importiert 70 Prozent ihrer Futtermittel vorwiegend aus Südamerika. Die Auslagerung von landwirtschaftlicher Produktion führe in den jeweiligen Ländern zu schwerwiegenden ökologischen und sozialen Problemen.

Der BUND Kirchheim lehnt die Ausweisung eines Gewerbegebiets am Hungerberg ab. Knapp 30 Jahre nach den vom BUND in seinem Stadtentwicklungskonzept geforderten Beschlüssen zu Obergrenzen der Überbaubarkeit, feiert der Flächenverbrauch wieder Urstände. Mitglieder des Gemeinderats räumen fraktionsübergreifend ein, Obergrenzen des Siedlungswachstums nie diskutiert zu haben. Schutz der Böden ist nach dem Bevölkerungswachstum das zentrale Thema der Ökologie und mit Konzepten zur nachhaltigen Entwicklung unlösbar verknüpft. „Wir waren gedanklich und konzeptionell in den 1970er- und 1980er-Jahren weiter als heute nach 40 Jahren Öko-Bewegung“, so die Bilanz des Kirchheimer BUND-Vorsitzenden und Agrarökologen Professor Martin Dieterich.

Der BUND fordert Gewerbe und Wohnbauflächen im Bestand zu entwickeln, statt Freiflächen und Landwirtschaft abzuwickeln. Er schlage vor, den „Hungerberg“ mit den nach Osten anschließenden Flächen als Modellgebiet für eine integrierte Entwicklung von Landwirtschaft, Naherholung und Naturschutz auszuweisen und entsprechend angepasste Nutzungen auch über kommunale Agrarumweltprogramme zu fördern. pm