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Afghanistan hat mehr zu bieten als nur Zerstörung

Journalismus Daniela Haußmann ist Journalistin. Sie trifft Menschen, schreibt über sie und fotografiert. Zu ihren Einsatzgebieten zählt unter anderem ein Land, in dem seit 1978 Krieg herrscht. Von Melissa Seitz

Das ist Daniela Haußmann. Foto: Carsten Riedl

Krankenschwester, Mediengestalterin oder Kosmetikerin - das alles sind typische Frauenberufe. Daniela Haußmann bricht mit den Stereotypen: Sie reist in Kriegsgebiete, spricht dort mit unterschiedlichen Menschen, fotografiert und schreibt über ihre Erfahrungen. Daniela Haußmann hat einen Job gewählt, für den sich Frauen nur selten entscheiden: Sie arbeitet als Journalistin in Kriegs- und Krisengebieten. „Ich wollte das schon immer machen“, sagt die Frickenhäuserin, die auch für den Teckboten schreibt. Fremde Kulturen, Länder, die nicht als typisches Urlaubsziel gewählt werden, und ein Hauch Nervenkitzel - all das reizt sie schon immer. „Auch die Politik in den Krisengebieten finde ich interessant“, sagt Daniela Haußmann, „ich wollte wissen, wie die Menschen mit Konflikten in ihrem Land umgehen.“

Entführung ist plötzlich mehr als Theorie

Na dann, Koffer packen und los geht‘s? Von wegen! „Ich würde jedem raten, vor einer solchen Reise eine Schulung bei der Bundeswehr zu machen“, erzählt die mehrfach ausgezeichnete Krisenreporterin. Dort werden Journalisten ausgebildet, die aus Krisengebieten berichten wollen. Aber nicht etwa mit einer netten Power­point-Präsentation und einem Ordner voller Infomaterial, hier geht es richtig zur Sache. Mit einem Gewehr am Hals wurde die Frickenhäuserin von ihren Entführern verhört, und das durchgetrennte Bein eines Soldaten musste sie verbinden - solche Übungen standen bei dieser Schulung auf der Tagesordnung. „Das war wirklich realitätsnah“, gibt Daniela Haußmann zu.

Dass die Realität genau so aussieht wie die Bundeswehr es nachspielt, mussten einige ihrer Journalisten-Kollegen am eigenen Körper erleben. „Sie wurden entführt und dann wieder freigelassen“, sagt die Frickenhäuserin. Klingt erschreckend, kann aber passieren. „Man braucht für diesen Job eine gesunde Menge an Respekt“, sagt die Journalistin, „und man muss Leute kennen, denen man vertrauen kann und die wissen, wie es um das Land im Moment bestellt ist.“

All diese Eindrücke haben sie nicht abgeschreckt, im Gegenteil: Im Jahr 2002 ging es für die Reporterin das erste Mal nach Afghanistan. „Viele Städte sind halb zerbombt“, sagt Daniela Haußmann. Für Menschen, die das Geschehen in Afghanistan im Fernsehen verfolgen, sei das ein „ganz normaler“ Anblick. Wer aber weiß, wie die Stadt zuvor aussah, ist geschockt. Die Journalistin erklärt: „Ich habe eine Postkarte von früher gesehen, auf der sah die Stadt völlig anders aus. Die Menschen haben damals gut gelebt. Ich war entsetzt.“ Trotzdem verläuft ihrer Meinung nach das Leben in Afghanistan überraschend normal ab.

Dank Bauchgefühl auf der sicheren Seite

Bei ihrer Reise durch das Land war Daniela Haußmann oft mit Soldaten unterwegs. „Ich will nicht dort sein, wo die Uno ist. Ich will mit den Einheimischen in Kontakt treten“, sagt sie. Wenn das nicht möglich war, suchte sie sich Menschen, denen sie vertrauen kann. „Mein Bauchgefühl hat mich in dieser Sache bis jetzt noch nicht getäuscht“, fügt die Journalistin hinzu. Mit ihren Vertrauenspersonen fuhr die Frickenhäuserin raus aus der Stadt und aufs Land. „Die Landschaft ist wirklich schön. Man kann einen ganzen Tag unterwegs sein und keine Menschenseele sehen“, erklärt Daniela Haußmann. Ihre Zeit im afghanischen Hinterland war wie eine kleine Weltreise. Hier wird das Getreide manchmal noch durch einen Mühlstein zerkleinert, der von einem Esel gezogen wird.

„Mit den Menschen in Kontakt zu kommen, war meistens kein Problem“, erzählt die Kriegs- und Krisenreporterin. Oft verbrachte sie ihre Abende mit einer Tasse Tee und afghanischem Essen bei Einheimischen.

Mit der Eigenständigkeit kommt die Gewalt

Besonders mitgenommen haben Daniela Haußmann ihre Erlebnisse mit afghanischen Frauen. „Die Rolle des männlichen Versorgers löst sich langsam auf“, weiß die Journalistin. Klingt eigentlich positiv, bedeutet aber im Umkehrschluss: mehr Gewalt gegen Frauen. „Die Männer denken, sie verlieren ihre Männlichkeit“, erklärt die Frickenhäuserin, „und das entlädt sich in Gewalt.“ In der Stadt leben Frauen sehr westlich, sie gehen an die Uni, zur Schule und tragen moderne Kleidung. Auf dem Land ticken die Uhren anders. „Einmal durfte ich eine Familie vom Land auf dem Weg ins Krankenhaus begleiten“, erzählt Daniela Haußmann. Die Frau lag in den Wehen, die nächste Klinik war mehrere Fahrtstunden entfernt. „Ob bei der Geburt alles gut gelaufen ist, weiß ich nicht“, sagt sie. „In solchen Ländern eine Frau zu sein, ist nicht einfach.“ Ihre Erlebnisse mit afghanischen Frauen hat Daniela Haußmann in einem Buch zusammengefasst.

Die Erfahrungen, die die Krisenreporterin gemacht hat, haben sie anders auf die Welt blicken lassen. „Man lernt, sein Leben zu schätzen“, sagt die Journalistin. Sie hat sich entschieden, bewusster zu leben. Und bald will sie wieder ins Kriegsgebiet reisen: „Mich hat der Afghanistan-Virus gepackt.“

Info Einen Einblick in die anderen Einsatzorte der Journalisten und Infos zu dem Buch „Frauen in Afghanistan“ finden Interessierte auf www.haussmann-presse.com.

Afghanistan hat mehr zu bieten als nur Zerstörung - wunderschöne Landschaften zum Beispiel. Foto: Daniela Haußmann
In der Hauptstadt Kabul gibt es Kinos, Fitnessstudios und vieles mehr. Auf dem Land hingegen wird noch kräftig mit angepackt.Fot
In der Hauptstadt Kabul gibt es Kinos, Fitnessstudios und vieles mehr. Auf dem Land hingegen wird noch kräftig mit angepackt. Foto: Daniela Haußmann
Eine Frau verkauft auf einem afghanischen Markt Stoffe.
Eine Frau verkauft auf einem afghanischen Markt Stoffe. Foto: Daniela Haußmann
Auf dem Land bauen sich die Afghanen ihre Hütten noch selber.
Auf dem Land bauen sich die Afghanen ihre Hütten noch selber. Foto: Daniela Haußmann