Kirchheim. Immer wieder gibt es kritische Berichte in den Printmedien und im Fernsehen über die Betreuung betagter Menschen, insbesondere der an Demenz erkrankten. So galt lange Zeit der Grundsatz: Satt, sauber und genügend Schlaf. Dass auch kranke Menschen ein Anrecht auf Lebensqualität und Lebensteilnahme haben, geriet zusehends in den Hintergrund. Die finanziellen Aspekte ließen eine individuelle Pflege nicht zu.
Im Laufe der Zeit hat sich die Einstellung positiv verändert und 2007 wurden vom Bund Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose eingeführt. 25 000 zusätzliche Betreuungskräfte standen nach dreiwöchiger Einführung in den Pflegeheimen zur Verfügung. Schnell wurde im Pflegebereich klar, dass hier dringend eine länger dauernde Qualifizierung nötig war. An diesem Punkt stieg Aurelio Vacca aus Wendlingen ein und rief mit vielen andern Fachkräften die „Betreuung mit Herz“ ins Leben.
Die Hauptaufgabe der Betreuer war und ist es, den betagten, an Demenz erkrankten Menschen, das Dasein so angenehm wie möglich zu gestalten. Es gab auf Initiative von Aurelio Vacca, der mittlerweile seit fünf Jahren Dozent und Ausbilder für Betreuungskräfte ist, mehrere Treffen, bei denen sich die Betreuer austauschen konnten. War das Interesse am Anfang noch groß, ließ die Teilnehmerzahl in der Folge schnell nach. Der Zeitfaktor spielte dabei eine große Rolle. Aktuell gibt es zwei Weiterbildungstage im Jahr, die rege genutzt werden. Das Ziel sei immer das gleiche, verrät Vacca: die Vision ist der wertschätzende Umgang mit allen Menschen. Naomi Feil, von Deutschland in die USA ausgewandert, gab mit ihrem Stichwort „Validation“ die Basis für die Betreuung mit Herz. Über Demenz sagte sie: „Demenz ist eine Möglichkeit, den eigenen Rucksack zu leeren.“
Aurelio Vacca hat sich diese Worte zu Herzen genommen und schnitt die alten Zöpfe der bisherigen Betreuung ab. „Man muss sich in den Demenzkranken hineinversetzen und vergessen, was man von diesem Menschen alles verlangen will.“ Akzeptieren, statt korrigieren, sei der richtige Weg, um mit diesen Menschen umzugehen, weiß Vacca und erklärt, wer mit Demenz zu tun habe, müsse empathisch sein und in den Schuhen des andern gehen. So habe man in vielen Pflegeheimen vor allem die Wertschätzung der Bewohner gestärkt und parallel den Spaß, Singen und Musizieren sowie Bewegung im Angebot. „Der Erfolg ist eingeschlagen wie ein Blitz“, freut sich Aurelio Vacca. Er hat bei vielen Menschen, die lange nicht mehr gesprochen haben, festgestellt: „Durch das Glücklichsein haben die Menschen vergessen, dass sie nicht sprechen können.“ Andere, die die Arme nicht mehr bewegen können, hätten plötzlich die Arme in die Luft gerissen oder zur Musik geklatscht. „Wenn man es nicht mit eigenen Augen sehen würde, könnte man es kaum glauben“, so Vacca.
Durch den Einsatz dieser Themen sei in seinem Pflegeheim sogar ein Rückgang des Medikamentenverbrauchs verzeichnet worden. Insgesamt seien die physischen und psychischen Zwangsmaßnahmen zurückgegangen. „Durch die Großgruppen von 20 bis zum Teil 90 Menschen werden viele animiert, mitzumachen, ohne dass jemand die eigenen Schwächen sieht“, vermutet Aurelio Vacca. Die Gruppendynamik verhindert seiner Ansicht nach die Vereinsamung und verlangsamt zum Teil den Fortschritt der Demenz. Es bleibt allerdings die Forderung, dass die Unterstützung durch die Krankenkassen und Heimleitungen kontinuierlich optimiert wird. Nur so sei es möglich, den Menschen mit Demenz ihren letzten Lebensabschnitt lebenswert zu gestalten. „Betreuungsarbeit“, sinniert Aurelio Vacca, „ist kein Pensum, das du absolvieren sollst, sondern eine Aufforderung an die liebevollen Möglichkeiten deines Herzens.“
Weitere Informationen zur „Betreuung mit Herz“ finden Interessierte im Internet unter www.fb.com/betreuungskraft.