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Alles begann mit dem richtigen Oberarmumfang

Mit Begeisterung im Beruf: Martin Ruß arbeitet seit über vierzig Jahren als Kfz-Mechatroniker im Autohaus Ramsperger

Den Beruf wechseln? Dieses Bedürfnis hat Martin Ruß nie verspürt. Nach mehr als vierzig Jahren bei Ramsperger blickt der 57-Jährige zufrieden zurück – und gleichzeitig freudig nach vorne: „Ich freue mich immer noch jeden Tag, ins Geschäft zu kommen.“ Eine Zeitreise durch ein halbes Leben und vierzig Jahre Automobilgeschichte.

„Ich war schon immer ein Schrauber“, sagt Kfz-Mechatroniker Martin Ruß von sich. Seit 40 Jahren lebt er diese Leidenschaft im Be
„Ich war schon immer ein Schrauber“, sagt Kfz-Mechatroniker Martin Ruß von sich. Seit 40 Jahren lebt er diese Leidenschaft im Beruf.Foto: Carsten Riedl

Kirchheim. Martin Ruß ist ein kräftiger Mann. Man erkennt sofort: Das ist einer, der mit anpackt. Früher war körperliche Stärke das Wichtigste, wenn man Kfz-Mechatroniker werden wollte, erklärt der gebürtige Gutenberger. Mit einem Schmunzeln erinnert er sich zurück an die Siebzigerjahre, als er auf der Suche nach einer Lehrstelle zum Automechaniker ins Autohaus Ramsperger gelangte. „Der Herr dort begutachtete mich, fasste mich an den Oberarmen und meinte: „Aus dir kann was werden.“ Damit war Ruß‘ Zukunft besiegelt: Im selben Jahr begann er seine Lehre und arbeitet seitdem bei Ramsperger.

Heute ist das anders. Da käme es weniger auf Muckis an, als auf gute Schulnoten in Mathe und EDV-Kenntnisse. Auch sonst hat sich viel verändert. Das Autohaus Ramsperger erweiterte seine Standorte. Angefangen hat Ruß im Stammsitz in der Kirchheimer Hindenburgstraße, im Sommer 1999 wechselte er in den neuen Audi-Betrieb in der Sudeten-straße. „Im Nachhinein gesehen hat mir das sehr gut getan“, findet er. Er musste sich neu beweisen und konnte andere Menschen kennenlernen.

Um immer am Puls der Zeit zu bleiben, war Martin Ruß in seinem Berufsleben nun schon 141 Tage auf Schulungen und Weiterbildungen. Die Autos haben sich in Technik und Elektronik verändert. Elektronische Fensterheber, Automatiklicht, Abstandswarnsystem – was dem Fahrer das Leben erleichtert, macht die Arbeit für den Kfz- Mechatroniker komplizierter und umfangreicher. Es gäbe viel mehr Bauteile und man komme nicht mehr so leicht an sie heran, müsse viel zerlegen. „Hat man ein System im Auto kapiert, dann kommt schon die nächste Neuerung – der beste Job gegen Alzheimer und Demenz“, scherzt Ruß.

Seinen Lebensweg bereut hat er nie. „Ich war schon immer ein Schrauber“, lächelt er. Eine Zeit lang überlegte er sich, den Meister zu machen, was sich aber letztlich nie ergab, weil er lieber „schaffen“ wollte. Sein erster Motor, den er nach seiner Gesellenprüfung alleine ausbauen durfte, war ein RO 80, ein Wankelmotor, erinnert er sich. Erst ab den 90er-Jahren wurde versucht, die Motoren abgasfreundlicher zu gestalten. Auch das Aufkommen der ersten Diagnosetester in den 80ern hat Ruß miterlebt. Dabei handelt es sich um Prüfgeräte, die Fehler finden sollen. Trotzdem wurde nicht alles sofort einfacher. Man müsse die Systeme kennen, um einen Eintrag zu bewerten. Aber eine Hilfestellung sei das schon gewesen, räumt der gelernte Automechaniker ein. 2011 meisterte er die Prüfung zum Servicetechniker mit Bravour – auch dank seiner langjährigen Erfahrung.

Jetzt, nach über vierzig Jahren, ist Ruß der Letzte aus seinem Lehrjahr, der nach wie vor bei Ramsperger arbeitet. Noch immer freut er sich jeden Tag, ins Geschäft zu kommen. „Ich würde in meinem nächsten Leben wieder auf Kfz lernen“, ist er sich sicher. Auch heute lassen sich noch viele junge Leute zum Kfz-Mechatroniker ausbilden, darunter aber nach wie vor nur wenige Mädchen. Der Job sei eben von körperlicher Anstrengung geprägt und man müsse kräftig mit anpacken, erklärt Ruß. Frauen gingen lieber in die kaufmännische Richtung.

In die Zukunft blickt der Autofachmann eher kritisch. Als Fahrer empfindet er die vielen Assistenzsysteme als „fast schon zu viel“. „Wir sind an einem Punkt, wo nicht mehr viel geht“, stellt er fest. Er glaubt auch nicht, dass sich selbstfahrende Autos durchsetzen werden. „Dann ist ja der Spaß am Autofahren weg“, winkt er ab. „Da kann man gleich Bus oder Bahn nehmen.“ Im Trend zu Elektroautos sieht er Zukunft. Doch die Fahrzeuge seien einfach noch zu teuer. „Die Politik muss mehr machen“, ist er überzeugt.