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Als am Lauterkanal ein neues Zeitalter begann

Geschichte Vor 200 Jahren brachte Jakob Friedrich Fausel eine Spinnmühle und damit Industrie nach Dettingen.

Dettingen. Vor 200 Jahren herrschte in Württemberg König Wilhelm der Erste. Im gleichen Jahr, 1816, spielte das Klima verrückt. In Europa, insbesondere in Württemberg, war es ein „Jahr ohne Sommer“ mit großen Missernten. Heute weiß man, dass diese katastrophalen Zustände auf den Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora zurückzuführen waren. Der König führte daraufhin zahlreiche Reformen durch, auch eine Agrarreform, mit der er den Bauern alternative Einkommen ermöglichen wollte. Die Folge war die Gründung der Agrar-Universität Stuttgart-Hohenheim im Jahr 1818. Aber auch kleinere Aktivitäten im ländlichen Raum fanden das Wohlwollen des Königshauses - so auch in Dettingen.

1816 heiratete in Dettingen, das damals noch Dettingen-Schloßberg hieß, ein junger Schmied namens Jakob Friedrich Fausel Christina Schäfer, die Tochter des Müllers der Oberen Mühle. Er war 28 Jahre alt und arbeitete in der Schmiede seines Vaters, die sich in der Vorderen Gasse, der heutigen Kirchheimer Straße, befand. Der Vater hieß Johann Jakob Fausel, Er war Schmied und Kastenpfleger in der Dettinger Georgskirche.

Schweizer Wissen an die Lauter

Der Sohn muss ein sehr tüchtiger Mensch gewesen sein, der kurz nach seiner Konfirmation im Jahr 1801 in die Schweiz gegangen ist, um dort bei der Firma Rieter, die Spinnereimaschinen baute und auch eine Baumwollspinnerei betrieb, den Beruf des Mechanikus zu erlernen. In diesem Beruf, dessen Bezeichnung insbesondere in der Schweiz gebräuchlich war, hatte er Maschinen zu bauen. Diese Tätigkeit muss er im Jahr 1811, als er nach Dettingen zurückkehrte, in der Schmiede seines Vaters fortgeführt haben, mit dem Ziel, eine eigene Baumwoll-Spinnerei am Dettinger Lauterkanal aufzubauen. Von seinem Schwiegervater, dem Müller Valentin Schäfer, bekam er zu diesem Zweck ein Gartengrundstück am Lauterkanal in der Nähe der Oberen Mühle unweit der ehemaligen Dettinger Badstube. Der Antrieb dieser Spinnerei sollte über ein Mühlrad im Lauterkanal erfolgen. So entstand die Bezeichnung Spinnmühle. 1816 bat er beim königlichen Amt in Stuttgart um Genehmigung.

Bezug nehmend auf die Fauselsche Bitte um Baugenehmigung seiner Spinnmühle schrieb ein königlicher Amtmann aus Stuttgart im Jahr 1816 einen Brief an das Oberamt Kirchheim, in dem auf Fausel näher eingegangen wird. Es wird darauf hingewiesen, dass nicht zu bezweifeln ist, dass er sowohl hinsichtlich der erforderlichen Geschicklichkeit als auch des Vermögens im Stande sein sollte, die Spinnmaschine einzurichten. Es gereicht auch zum Vorteil des Bittstellers, dass er von seinem Schwiegervater, der ihm den erforderlichen Platz zu dem Gebäude gibt, in die Wohnung aufgenommen wird. Noch 1816 wird das Vorhaben von Fausel genehmigt.

Fausel beriet Nürtinger Firma

Die Fauselsche Spinnmühle wurde im Jahre 1818 gebaut, also vor 200 Jahren. Erst viel später entstand im 19. Jahrhundert am Dettinger Lauterkanal die Spinnerei von Berger oder auch die Spinnereien von Leuze oder Hoyler, sodass man sagen kann, dass Jakob Friedrich Fausel das Industrie-Zeitalter an der Lauter und in Dettingen eingeläutet hat.

Die größte Spinnerei Württembergs, die Firma Otto aus Nürtingen, die im Jahr 1816 gegründet wurde, hatte am Anfang ihres Bestehens einen sehr engen Kontakt zu Jakob Fausel. So kann man anhand einer Urkunde nachweisen, dass Jakob Fausel in den 1820er-Jahren für die Firma Otto eine Spinnmaschine gebaut hat. Nach dem frühen Tod Fausels im Jahr 1828 kaufte die Firma Otto dessen gesamten Spinnmühlen-Nachlass. Das Gebäude, das die Gemeinde erworben hatte, stand noch bis in die 1960er-Jahre. Heute erinnert an die Spinnmühle nur noch eine Scheune.Alfred Stroppel