Weilheim · Lenningen · Umland

Als Carl Eugen auf die „Pürsch“ ging

Baudenkmal Das Feldhäusle auf der Kirchheimer Hahnweide wurde wohl um 1760/61 erbaut. Es diente zunächst nicht dem Schutz der Menschen, die auf dem Feld arbeiteten, sondern der hochherrschaftlichen Jagd.

Ein Relikt aus herrschaftlichen Zeiten: das Feldhäusle an der Hahnweide.Foto: Markus Brändli
Ein Relikt aus herrschaftlichen Zeiten: das Feldhäusle an der Hahnweide.Foto: Markus Brändli

Das aufstrebende spitze Dach, die schirmartigen Trägerbalken an der Innendecke, die sorgfältig gesetzten Gefache aus teurem Eichenholz, die Gestaltung des Eingangsbereichs lassen auf einen wohlhabenden Auftraggeber des Feldhäusles aus der Zeit vor 1800 schließen, urteilte Zimmermann Andreas Banzhaf zu Beginn der Renovierungsarbeiten 2015 angesichts der vorhandenen originalen Bausubstanz des Gebäudes. Am verblüffendsten waren die Reste einer roten Innenbemalung des Fachwerks, die nach Entfernung des Verputzes an mehreren Stellen entdeckt, aber leider nicht konserviert wurden.

Diese Befunde veranlassten Fritz Heinzelmann vom Verschönerungsverein Kirchheim, eine dendrochronologische Untersuchung in Auftrag zu geben. Das Jahrringlabor Hofmann ermittelte Werte, die ausreichen, um bei allen drei Proben von einem Fälldatum 1760/61 ausgehen zu können. Die Werte erinnern an die Befunde des Herrenhäusles, das 1 000 Meter entfernt im Talwald steht.

Der frühere Kirchheimer Stadtarchivar Roland Deigendesch weist auf Holzlieferungen „zu einem herrschaftlichen Pürschhäuslein“ hin, die für das Herrenhäusle bestimmt gewesen sein könnten. Dem widerspricht, dass das Herrenhäusle 1793 als Jagdhaus bezeichnet wird. Als Pirschhäusle wurde es in den Kirchheimer Forstlagerbüchern nie geführt. Für eine waidmännische Pirsch, mit heimlichem Anschleichen an das Wild, ist das Herrenhäusle inmitten eines freien Platzes kaum geeignet. Für die damaligen „Treib- und Prunst-Jagden“ dagegen galt das Herrenhäusle als unentbehrlich „zum Rendez-Vous und kalten Kuche“.

Könnte es sich bei den von Deigendesch erwähnten Holzlieferungen für das „herrschaftliche Pürschhäuslein“ um eine Lieferung für ein ganz anderes und weitaus kleineres Gebäude als das Herrenhäusle gehandelt haben? Zum Beispiel für das ansehnlich gestaltete Feldhäusle, dessen Erbauungszeit ebenfalls auf die Zeit um 1761 anzusetzen ist?

Ein Blick auf die Flurkarte von 1816 liefert eine Erklärung, warum man dieses „Pürsch-Häußlein“ 800 Meter vom Rand des Talwalds entfernt errichtet hat: Dargestellt sind die Nutzungsverhältnisse auf dem Gelände der Hahnweide, wie sie kurz vor Aufhebung des Jagdregals für den Kirchheimer Forst durch König Wilhelm I. bestanden hatten. Die Karte zeigt nördlich eines ost-westlich verlaufenden Wegs, an den sich die Hahnweid-Äcker anschließen, folgenden Eintrag: „hier ist vor Diesem der Wildzaun gestanden“. Das Feldhäusle, das nicht auf der Karte eingetragen ist, hat sich demnach im 18. Jahrhundert zu Zeiten Herzog Carl Eugens unmittelbar südlich des Wildzauns befunden, also innerhalb des herrschaftlichen Jagdbereichs. Der heutige Flugplatz, der sich weiter nach Osten anschließt, wird bis zur östlichen Talwaldkante bei der Schindereiche dagegen als „Die Wiesenländ“ ausgewiesen.

Wenn man davon ausgeht, dass diese von der Bodenqualität her nicht begründbare Zweiteilung des freien Geländes nördlich des Talwalds auf die Jagdzeiten Herzog Carl Eugens zurückgeht, lässt sich die ursprüngliche Zweckbestimmung des Feldhäusles als mögliches „Pürsch-Häußlein“ herleiten: Wiesen werden mindestens zwei Mal im Jahr gemäht. Nach der Öhmdmahd im Spätsommer, also zu Beginn der Brunftzeit, waren die abgemähten „Wiesenländ“ an der Hahnweide weit weniger attraktiv für Hirsche als die benachbarte Schafweide, deren Nutzung man durch herzogliche Anweisung im September aussetzen konnte.

Vor dem Wildzaun, im Feldhäusle versteckt, beobachteten und belauschten dann in der Brunftzeit die Jäger auf dem nach Süden abfallenden Gelände das aus dem Talwald austretende Rotwild. Die Interpretation des Feldhäusles als ehemaliges herrschaftliches „Pürsch-Häußlein“ erscheint somit als vertretbar, und die Geschichte rund um das Herrenhäusle wird um einen interessanten Aspekt bereichert. fh