Weilheim · Lenningen · Umland

Als Schrauben aus Dettingen kamen

Ortsgeschichte Der Ende vergangenen Jahres gegründete Dettinger Geschichtsverein nimmt bei seiner dritten Exkursion die Historie der ehemaligen Schraubenfabrik an der Lauter genauer unter die Lupe.

Das Fabrikgebäude existiert heute nicht mehr. An dieser Stellen stehen heute Wohnungen und Kleinbetriebe.Foto: Vereinsarchiv
Das Fabrikgebäude existiert heute nicht mehr. An dieser Stellen stehen heute Wohnungen und Kleinbetriebe.Foto: Vereinsarchiv

Die Wasserkraft der Lauter sorgte im 19. Jahrhundert für die Ansiedlung der ersten Industriebetriebe. Im Jahr 1864 gründete der aus Steinbach, dem heutigen Wernau, stammende Andreas Roth eine kleine Spinnerei und Weberei in ausreichender Entfernung zur Unteren Mühle. Er beschäftigte zwischen 30 und 40 Arbeiter. Bereits nach drei Jahren musste er jedoch Konkurs anmelden, und die Gebäude standen jahrelang leer, bis sie Emil Helfferich aus Kirchheim 1883 samt Wasserkraft erwarb und eine Schrauben- und Flanschenfabrik gründete, den ersten Metallbetrieb im Kirchheimer Raum.

Von der Fabrik und dem sie umgebenden Park ist heute nichts mehr zu sehen, stattdessen stehen dort Wohnhäuser und Handwerksbetriebe. Die Exkursionsteilnehmer konnten jedoch den Verlauf des zugeschütteten Kanals durch übrig gebliebene Randsteine noch erkennen. Er kommt erst wieder an der „Schwarzen Falle“ zum Vorschein.

Die Geschichtsinteressierten erfuhren, dass Emil Helfferich schon vier Jahre nach Gründung der Schraubenfirma aus Krankheitsgründen seine Fabrik verkaufen musste. Er fand in dem aus Sachsen stammenden Max Weise einen Käufer, der ihm den stattlichen Preis von 90 000 Mark bezahlte. Weise führte die Firma weiter unter dem Namen EHN, „Emil Helfferich Nachfolger“. Im gleichen Gebäude in Dettingen gründete 1889 Max Weises Bruder Theodor eine Drahtbürstenfabrik.

Die Firma von Max Weise prosperierte - in der Gründerzeit gab es eine hohe Nachfrage nach Schrauben und Flanschen, es gab fähige und lernwillige Arbeitskräfte und eine äußerst geringe Steuerbelastung. Lediglich ein Prozent des Umsatzes musste abgeführt werden. Weise konnte ohne Kreditaufnahme seine Firma beträchtlich ausweiten. Für die Dettinger Fabrik bedeutete dies allerdings, dass Weise seine Investitionsschwerpunkte woanders setzte. Er kaufte 1892 von Karl Zink das Ötlinger Wasserhammerwerk und im gleichen Jahr aus der Konkursmasse des Ölmühlenbesitzers Albert Schumacher für 55 000 Mark dessen Anwesen an der Dettinger Straße in Kirchheim. In beiden Fällen war die Wasserkraft entscheidend. Max Weise begann, sie effektiver zu gestalten.

Die geplante Ausweitung der Produktion führte zu einem Umweltkonflikt mit dem Bleichereibesitzer Helfferich. Dieser sah seinen Betrieb durch die zu erwartende Rußentwicklung in seiner Existenz bedroht. Der Kirchheimer Gemeinderat und die Kreisregierung Ulm schlugen sich auf die Seite von Weise, und dieser konnte seinen Betrieb erweitern und in der Folge durch zahlreiche Bauten vergrößern.

Das Dettinger Werk diente nun ausschließlich der Schraubenproduktion. Als die Wasserkraft nicht mehr ausreichte, stellte Weise ihr eine Lokomobil-Kesselanlage zur Seite. Um 1900 war die Produktion auf das Zehnfache gegenüber 1888 gestiegen, entsprechend stieg die Zahl der Beschäftigten.

Es zeigte sich allerdings, dass die Nachfrage nach Flanschen viel stärker wuchs als die nach Schrauben, und Weise beschloss, sich ganz auf die Flanschenproduktion zu konzentrieren. 1906 verkaufte er das Dettinger Werk an seinen Mitarbeiter Eugen Schweizer. Schweizer war verheiratet mit Elisa Barbara Scheuffelen, der Tochter des Gründers der Oberlenninger Papierfabrik Carl Scheuffelen. Er war damit Schwager der Kommerzienräte Dr. Adolf und Dr. Heinrich Scheuffelen. Die Tochter aus der Ehe, Elvira, heiratete 1907 Fritz Weise, den Sohn von Max Weise. Fritz Weise wurde im gleichen Jahr in die Firma aufgenommen und bezog die Villa Dettinger Straße 101. Sie ist von beträchtlichen Ausmaßen. Es wurde an nichts gespart, und es besteht der Verdacht, dass der Kaufpreis der Schraubenfabrik in den Bau der Villa geflossen ist. Heute befindet sich in der Villa das Kirchheimer Polizeirevier.

1923 starb Eugen Schweizer. Die Familie Scheuffelen übernahm die für sie branchenfremde Schraubenfabrik, sicher aus verwandtschaftlichen Rücksichten. Mit rund 100 Arbeitern produzierte man Spezialschrauben für die Reichsbahn und die aufstrebende Autoindustrie. 1953 verkaufte Scheuffelen an die Schraubenwerke Karcher in Beckingen. Als Standort der Teilproduktion eines großen Unternehmens wurde der Ausstoß in der von den Dettingern „Schraubenbude“ genannten Fabrik zunächst stark ausgeweitet. Auf die Dauer war der Standort Dettingen zu klein, und die Produktion wurde 1979 stillgelegt.

Zum Abschluss des informativen Rundgangs gab es ein gemütliches Beisammensein, natürlich dem Anlass angemessen an einem historischen Platz: dem Hof des Bauhofs, der ehemaligen Unteren Mühle. pm