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Als sie hier ankam, konnte sie nur „Hallo“ sagen

Wanderausstellung Menschen erzählen ihre Migrations-Geschichte. Heute: Zohreh Heidari aus dem Iran

Heute arbeitet sie häufig als ehrenamtliche Übersetzerin: Zohreh Heidari.Foto: Natalia Zumarán
Heute arbeitet sie häufig als ehrenamtliche Übersetzerin: Zohreh Heidari. Foto: Natalia Zumarán

Kirchheim. Zohreh Heidari muss nicht überlegen, wenn man sie nach dem Tag fragt, an dem sie mit ihrem zwölfjährigen Sohn in Deutschland gelandet ist. „Am 19. März 2014“, sagt sie prompt, „das Datum bleibt mir immer im Kopf, denn einen Tag später feiert man im Iran Neujahr.“ Nur ein Beispiel dafür, welch ein anderes Leben mit der Ankunft in Deutschland für die heute 40-Jährige begonnen hat.

Nach der überstürzten Flucht ihres Mannes im Jahr 2011 lebte sie alleine mit ihrem Sohn in Teheran und arbeitete als Netzwerkadministratorin. „Mein Mann hatte sich zum Christentum bekannt und musste deshalb fliehen“, erzählt Zohreh Heidari, die damals viel durchgemacht hat und mittlerweile selbst Christin ist. Zweieinhalb Jahre musste sie warten, bis der Status ihres Mannes geklärt war und sie mit dem Sohn nachkommen durfte. Der hatte auf Betreiben seiner Mutter schon im Iran Deutschkurse besucht. Zohreh Heidari, die voll berufstätig war, hatte dafür keine Zeit.

„Als ich hier ankam, kannte ich nur zwei Wörter: hallo und tschüs.“ Inzwischen spricht sie die Sprache so gut, dass sie wie ihr Mann Landsleute als ehrenamtliche Übersetzerin zum Arzt, zur Polizei oder bei Behördengängen begleitet. „Wir helfen in Asylheimen in Kirchheim und der Umgebung“, erzählt Zohreh Heidari, die sich in mehreren Kursen Deutschkenntnisse angeeignet und im Anschluss daran eine mehrmonatige berufliche Weiterbildung absolviert hat. „Das war schwierig, denn die Technik im Iran ist ganz anders“, berichtet Zohreh Heidari. Die Prüfungen hat sie trotzdem gemeistert - als eine von drei unter acht Kursteilnehmern.

„Jetzt wünsche ich mir eine richtige Arbeitsstelle“, sagt Zohreh Heidari. Ihrer Erfahrung nach sitzen jedoch die meisten großen Firmen, die Netzwerkadministratoren beschäftigen, in Stuttgart. „Ich würde aber gerne hier in der Umgebung arbeiten.“ In Kirchheim fühlt sich die 40-Jährige wohl. „Deutschland ist meine zweite Heimat, ich bin gut angekommen“, sagt sie. Und sie ist froh, dass sich die Gerüchte, die sie vor ihrer Ankunft über das Land und seine Bewohner gehört hat, nicht bestätigt haben. „Ich hatte gelesen, dass die Deutschen nicht so freundlich sind, aber das stimmt gar nicht.“

Viel Hilfe und neue Freunde hat die Familie in der Kirchengemeinde gefunden, in der sie aktiv ist. „Die Gemeindemitglieder haben uns zum Beispiel geholfen, eine größere Wohnung zu finden“, erzählt Zohreh Heidari, die mit ihrem Mann und dem Sohn in der Anfangsphase in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Bissingen lebte. Auch beim Deutschlernen habe sie „wunderbare Hilfe“ erfahren, erzählt die Iranerin, die überzeugt ist: „Sprache ist sehr wichtig, wenn man in einem anderen Land leben will. Sonst gibt es Missverständnisse und Probleme.“

Was sie in Deutschland vermisst? „Meine Familie und das Essen“, sagt Zohreh Heidari: „Ich koche hier zwar Iranisch, aber es schmeckt trotzdem anders.“ Zum Glück kann sie ab und an in die alte Heimat reisen, um ihre Angehörigen zu besuchen. Wenn sie dorthin fliegt, dann alleine. Für ihren Mann wäre ein Besuch im Iran zu gefährlich. pm

Diese Geschichte ist Teil der Wanderausstellung „Angekommen“ im Kirchheimer Rathaus bis 23. November. Dargestellt werden Schicksale von Menschen, die ihre Geschichten von Flucht und Ankommen erzählen.