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Anonyme Briefe und große Politik

Angelika Matt-Heidecker reagiert auf ein Schreiben, das im Hafenkäs die Runde macht

Noch sind die möglichen Standorte für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen in Kirchheim nur der Verwaltung und dem Gemeinderat bekannt. Einer ist allerdings schon durchgesickert: das Gebiet Otten­äcker/Hafenkäs. Ein anonymer Brief sorgt für reichlich Wirbel.

In derselben Bauweise wie in Hochdorf sollen auch in Kirchheim nächstes Jahr neue Unterkünfte entstehen. Es geht um Wohnraum für
In derselben Bauweise wie in Hochdorf sollen auch in Kirchheim nächstes Jahr neue Unterkünfte entstehen. Es geht um Wohnraum für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen. Drei Standorte sind dafür in Kirchheim vorgesehen. Einer davon liegt im Hafenkäs.Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

Andreas Volz

Kirchheim. Anonyme Briefe landen normalerweise ohne große Reaktion im Papierkorb. Weil sie allerdings vielfach auf das anonyme Schreiben zum Hafenkäs angesprochen wird, reagiert Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker dieses Mal aber doch: mit einem offenen Brief, der unten im Artikel in vollem Wortlaut abgedruckt ist.

Mit den Ängsten, die in der Nachbarschaft der geplanten Gebäude vorhanden sein könnten, spielt der anonyme Brief nicht nur – er schürt sie sogar regelrecht. Von Partys, Saufgelagen und Drogenhandel ist da die Rede, als scheinbar unvermeidliche Folge einer Flüchtlingsunterkunft. Sorgen um die Sicherheit in Läden müsse man sich ebenfalls machen, heißt es in dem Schreiben des oder der Unbekannten, das in der Nachbarschaft für Angst und Schrecken sorgen soll.

Gefordert wird sogar der Rücktritt der Bundeskanzlerin, und außerdem wird den Lesern nahegelegt, andere Parteien zu wählen als die, die derzeit im Bundestag vertreten sind. Auch die Terrorangst nach den jüngsten Anschlägen in Paris nutzt der Briefschreiber für seine Zwecke aus, wenn er in diesem Zusammenhang Gettos und Parallelgesellschaften erwähnt, die auch in Kirchheim entstünden und in denen nachfolgende Generationen radikalisiert würden.

In ihrem offenen Antwortbrief wie auch im Gespräch mit dem Teckboten macht die Oberbürgermeisterin darauf aufmerksam, dass in Kirchheim gerade keine Gettos geplant sind. Deshalb seien unterschiedliche Standorte für die Anschlussunterbringung im Gespräch, um zu ermöglichen, dass diejenigen der Flüchtlinge, die anerkannt oder geduldet sind und die in Kirchheim untergebracht werden müssen, ein Teil der Gesellschaft werden können.

„Gab es da schon Gespräche mit Anliegern und Betroffenen?“ So lautet die rhetorisch gemeinte Frage im anonymen Schreiben, hinter der sich der Vorwurf verbirgt, in der Stadtverwaltung wie im Gemeinderat werde gemauschelt. Angelika Matt-Heidecker geht auf diesen Vorwurf ganz gezielt ein: „Auch beim Hafenkäs weiß der Gemeinderat im Augenblick nicht viel mehr, als dass es sich da um einen möglichen Standort für die Anschlussunterbringung handelt.“

Eile sei zwar dringend geboten: „Die bisher in Aussicht gestellten Fördermittel reichen bei weitem nicht aus. Sie sind für 2015 auch schon längst überzeichnet. Aber gerade deshalb müssen wir noch in diesem Jahr Anträge stellen, damit wir 2016 eine Chance haben, Gelder zu kriegen.“ Trotzdem könne sie zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Bürgerinformationsabend veranstalten: „Ich kann erst in eine Information gehen, wenn alle Daten und Fakten klar sind. Ich kann doch nicht als Information rausgeben, dass vielleicht irgendwo irgendwas gebaut wird.“ Als Termin für die öffentliche Information der Nachbarschaft im Hafenkäs ist jetzt Montag, 7. Januar, vorgesehen. Beginn ist voraussichtlich um 18 Uhr. Der Ort wird noch rechtzeitig bekanntgegeben.

Zur grundsätzlichen Thematik oder auch Problematik der Flüchtlingsunterbringung sagt die Oberbürgermeisterin: „Wir machen in Kirchheim nicht die große Politik.“ Die werde anderswo betrieben. Vor Ort lasse sich deswegen nur dafür sorgen, die Vorgaben der „großen Politik“ möglichst gut umzusetzen: „Die Menschen sind nun einmal da. Und ich bin dafür verantwortlich, sie hier in unserer Stadt unterzubringen.“

Das gezielte Schüren von Ängsten sei dabei alles andere als hilfreich. Angelika Matt-Heidecker hat deswegen bereits Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Wegen Inhalt und Form der Aussagen im anonymen Brief hält sie den Verdacht auf Volksverhetzung für gegeben.