Die einen lassen nicht locker, die andere Seite setzt auf Kommunikation und Aufklärung. Anwohner in der Kirchheimer Saarstraße sind nach wie vor genervt vom Durchgangsverkehr zur Grünschnittsammelstelle am Rande des Wohngebiets. Bewohner, die zu Stoßzeiten nicht zu ihren Grundstücken kommen, Familien, die sich um die Sicherheit ihrer Kinder sorgen. Als Reaktion auf den seit vielen Jahren schwelenden Streit, der durch Corona im Frühjahr neu hochgekocht ist, hat der Landkreis im Mai das Kompostwerk für Hobbygärtner und Grundstücksbesitzer auch an Samstagen geöffnet. Das sollte Druck von der Saarstraße nehmen. Die Klagen dort jedoch blieben.
Die Stadt hat Bewohnern im „Paradiesle“ jetzt einen Informationsabend angeboten. Nach dem Motto: Wer mehr weiß, zeigt auch mehr Verständnis. Denn für das Problem gibt es keine einfache Lösung - eine schnelle erst recht nicht. Entlastung verspräche alleine die Zufahrt von Westen, wo die Stadt „In der Au“ seit Jahren ein neues Gewerbegebiet plant. Doch die Erschließung stockt. Weshalb, das erklärt Gernot Pohl, Leiter im städtischen Planungsamt, mit der „Komplexität des Themas“. Die Situation scheint zerfahren. Dass momentan Stillstand herrsche, dem widerspricht Kirchheims oberster Stadtplaner allerdings vehement: „Wir arbeiten daran.“
Die Krux: Es gibt nicht ein Problem, sondern gleich mehrere. Da ist zunächst das Landratsamt, das die Latte beim Hochwasserschutz hoch legt. Der Stadt ist das zu teuer. Es geht um den Bau von Regenrückhaltebecken, um getrennte Entwässerungs-Systeme für Grundstücke und Straßen, und es geht um den Zulauf des Kegelesbachs in die Lauter, der ebenfalls nicht aktuellen Anforderungen an den Hochwasserschutz entspricht. „Das sind dramatische Investitionen“, versichert Gernot Pohl, ohne Zahlen zu nennen. Hinzu kommt: Die Grundstücksverhältnisse, die auf einem Umlegungsverfahren aus den 80er-Jahren beruhen, gestalten sich schwierig. Es gibt Eigentümer, die nicht verkaufen wollen. Andere fürchten horrende Erschließungsbeiträge. Und über allem schwebt ein Thema, das die Stadt Ende des vergangenen Jahrtausends in zwei Lager teilte und sie bis heute spaltet: die Nordwest-Tangente. Die umstrittene Umfahrung durch die Ötlinger Halde, die die Innenstadt von den Fesseln des Durchgangsverkehrs befreien soll, ist nach wie vor Teil des Regionalverkehrsplanes, auch wenn die Planungen im Detail nicht weiter verfolgt wurden.
Die Stadt hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das der Erschließung „In der Au“ einen juristischen Rahmen setzen soll. Ende August soll das Ergebnis vorliegen. „Dann können wir konkretere Aussagen machen“, sagt Gernot Pohl, der im Anschluss den Bewohnern im „Paradiesle“ Rede und Antwort stehen will. Rechtlich geprüft werde zurzeit auch ein Weg „mit ganz anderem Ansatz“, wie der Amtsleiter durchblicken lässt, ohne jedoch mehr zu verraten. Am Grundsatz ändert sich nichts: „Die schnellste Lösung wäre 2023.“