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Archäologie: Wenn der Boden seine Geheimnisse preisgibt

Geschichte Heiß her ging es in früheren Zeiten in und um Dettingen. Das lag nicht nur an der Eisenverhüttung, sondern auch an einem frustrierten deutschen Kaiser, der sich rächte. Von Roland Krämer

Die Ausgrabungen in Dettingen förderten einige neue Erkenntnisse zu Tage. Foto: Landesamt für Denkmalpflege

Die Ansicht früherer Geschichtsschreiber, dass es für das Mittelalter keinerlei archäologischer Grabungen bedürfe, weil alles Wichtige in Urkunden und Büchern zu finden sei, gilt heute nicht mehr. Ausgangspunkt einer Zeitreise, mit der Rainer Laskowski in einer Veranstaltung des Geschichtsvereins Dettingen im „Forum Altern“ neue Erkenntnisse zur Siedlungsgeschichte Dettingens vorführte, waren daher nahezu ausschließlich archäologische Funde und Befunde.

Die Verlängerung der 1864 neu errichteten Bahnlinie von Unterbohingen über Kirchheim nach Oberlenningen im Jahre 1899 steht am Beginn neuer Erkenntnisse. Beim Bau des Dettinger Bahnhofsgebäudes kam erstmals ein Grab zutage, das der Alamannenzeit zugerechnet werden konnte, dem dort dann später weitere beim Ausbau der Bahnhofstraße folgen sollten. Weitere Grabfunde sind in einer Markungskarte im Heimatbuch des Kreises Nürtingen 1953 im Areal der Tuchfabrik Berger im südlichen Teil der Ortslage verzeichnet. Dort wurden beim Bau einer Fabrikhalle 1942 und 1947 sowie beim Bau der Betriebstankstelle 1976 ebenfalls alamannische Gräber gefunden, mehr als ein Dutzend, deren Funde sich jedoch in Privatbesitz befinden. Schon damals zeichnete sich ab, dass im Bereich der heutigen Ortslage zwei Siedlungsbereiche existiert haben müssen, denn beide Grabfelder liegen etwa 800 Meter weit auseinander.

 

Der Albrand war das frühe Ruhrgebiet.
Rainer Laskowski
 

Als aussagekräftiger erwiesen sich die neuen Funde von rund 70 weiteren alamannischen Gräbern im ehemaligen Fabrikareal Berger, die 2007 durch die Kirchheimer Archäologie-AG in Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt freigelegt und geborgen werden konnten. Bei den Skeletten befanden sich viele Beigaben, die in Fotos vorgestellt wurden, darunter Keramik, Bronzen, Perlenketten, Ringe, Nadeln, Fibeln und Münzen – Hinweise auf eine Besiedelung ab der Mitte des 5. Jahrhunderts. Bei einer Grabung im Bereich hinter dem heutigen „Forum Altern“ stieß man dann 2015 auch auf die Überreste von mindestens sechs frühmittelalterlichen Häusern. Die Siedlungen lagen zumeist circa 250 Meter von den Gräberfeldern entfernt.

Beim Abbruch des Gebäudes Hintere Straße 90, dem ersten Dettinger Pfarrhaus nach der Reformation, erbaut 1561, stieß man 2019 im Untergrund unter anderem auf einen mit Holzkohleresten und Schlacken verfüllten Schacht, vermutlich ein Hinweis auf frühere Eisenverhüttung.

Besonders wichtig für die Dettinger Ortsgeschichte sind die Grabungen des Landesamtes für Denkmalpflege von 2020 in der Hinteren Straße 113, unweit des ehemaligen Pfarrhauses. Dort wurden nicht nur große Mengen von Schlacken gefunden, die auf Eisengewinnung hinwiesen, sondern erstmals auch Tondüsenreste von Schmelzöfen und Reste eines Eisenschmelzofens. Eisenerz war in Dettingen in einer Schicht des Braunen Jura vorhanden, das sich nur knapp unter der Oberfläche des Käppele befindet. Diese Schicht ist in einem Gebiet zugänglich, das sich am Albtrauf von Jebenhausen bei Göppingen über Weilheim, Dettingen und Owen sowie entlang der Reutlinger Alb bis nach Pfullingen erstreckt. Überreste dieses Erzabbaus sind dort überall bis heute zu finden.

Das Eisenerz wurde bisher nachweislich im 8. und 9. Jahrhundert bis in die Zeit um 1100 abgebaut und vorbereitet, zu Tal gebracht und dort mithilfe der Wasserkraft geschmolzen und verarbeitet. Dazu waren in früher Hochofentechnik Temperaturen von über 1000 Grad Celcius notwendig. Für die Datierung der Eisengewinnung in Dettingen waren der Fund eines karolingischen Denars aus der Regierungszeit von Ludwig dem Kind, der von 900 bis 911 regierte, besonders wichtig. Das ganze Eisenrevier bezeichnete Rainer Laskowski, heiter-launig, als ein „frühes Ruhrgebiet“, zu dem auch die Region um Dettingen gehörte. Ihr Ende kam, als Kaiser Heinrich IV nach seinem Canossagang 1078 von Weilheim aus in die hiesige Gegend mordend und brennend einfiel, um sich an der hier ansässigen antikaiserlichen Papstpartei zu rächen.

Den Abschluss des Vortrags bildeten neue Aspekte zur 1538 abgegangenen Nikolauskapelle, des Schlossberges und der Dettinger Burgen im Bereich des Käppele. Diese Anlagen standen mit hoher Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit dem Eisenerzabbau, der nach Verhüttung des Eisenerzes, das nicht zuletzt zur Herstellung von Waffen diente, zu beachtlichem Reichtum in der Region geführt hat. Darauf weisen nicht zuletzt die adligen Familien in Dettingen hin. Auf umliegenden Hügeln entstanden einige burgartige „Anlagen“, von denen aber nur wenige Reste erhalten geblieben sind – „Mannsberg“, „Tiefenbach“ und „Bol“. Auch interessant: Dettingen unter Teck war vom 14. Jahrhundert bis 1879 als Dettingen am Schloßberg bekannt.

In der Hinteren Straße 113 in Dettingen wurde auch eine Münze, ein Karolingischer Denar von Ludwig dem Kind – dieser regierte von 900 bis 911 – gefunden. Foto: Landesamt für Denkmalpflege