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Arme trifft der Virus besonders hart

Corona Einkommensschwache haben in der Krise gleich mehrere Probleme.

Symbolbild

Region. Das Virus trifft nicht nur jene besonders, deren Gesundheit besonders angreifbar ist, sondern auch jene, die in sozialer Hinsicht zu den Risikogruppen gehören“, sagt Reinhard Eberst, im Kreisdiakonieverband im Landkreis Esslingen zuständig für den Bereich Existenzsicherung.

Dazu gehörten die Menschen, die auch vor der Coronakrise am Arbeitsmarkt benachteiligt waren: Mini- und Multijobber, Menschen in Teilzeitjobs, weil sie Kinder oder Pflegebedürftige zu versorgen haben, Alleinerziehende, Leiharbeiter und befristet Beschäftigte.

Eberhard Hausmann, der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands sieht einkommensarme Menschen im besonderen Maße auch gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt: „Wenn Sie sich kein Auto leisten können, sind Sie auf den ÖPNV angewiesen, sie können Ihr Essen nicht über den Lieferdienst ordern, und an Hamsterkäufe ist aus finanziellen Gründen nicht zu denken.“

Mitarbeiter mit geringem Verdienst im Verkauf, in der Pflege oder im Transportgewerbe begegneten jeden Tag vielen Menschen. Je höher die berufliche Position eines Arbeitnehmers sei, desto eher sei es möglich, vom Homeoffice aus zu arbeiten, das sich und anderen Schutz biete. Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen und Lebenssituationen seien von wirtschaftlichen Risiken stärker betroffen. Ihre Jobs wären ohnehin oft unzureichend entlohnt. Oft seien es Solo-Selbstständige, denen jetzt die Aufträge wegbrechen. Lohnfortzahlungen oder Kurzarbeitergeld fallen in diesen Fällen als Option aus. Leiharbeiter würden gerade reihenweise entlassen. Sie träfe es in einer Krise wie der augenblicklichen als Erstes: Die Anstellungsverhältnisse bei den sogenannten Personalservice­-Agenturen seien teils schon auf Wochenfrist kündbar. Sozialpädagoge Eberst ist selbst auch in der Sozialberatung tätig. Ihm berichten Klienten, die in Mini- und Midijobs beschäftigt sind, dass sie nicht wissen, ob sie morgen oder übermorgen noch ein Einkommen haben werden. Manche werden gar nicht mehr oder nur noch für einzelne Stunden zur Arbeit eingeteilt und verdienten entsprechend weniger oder nichts mehr

Schlimmer als 2009

Ein Beispiel dafür sei Frau W. aus Kirchheim, die alleine zwei Kinder großzieht. Bis zur Coronakrise hatte sie drei Beschäftigungsverhältnisse in der Gastronomie und in einer Reinigung. Einer der Arbeitgeber musste sie kündigen, bei einem anderen kann sie nur noch für einzelne Stunden kommen. Noch vor einem halben Jahr hatte sie sich gefreut: „Endlich weg von Sozialleistungen!“ Das Virus habe ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Den Antrag auf Arbeitslosengeld 2 hat Frau W. schon gestellt. Sie hoffe, dass er schnell bearbeitet wird.

Alexander Herzog-Stein, Arbeitsmarktexperte der SPD-nahen Hans-Säckler-Stiftung meint: „Die Krise, die wir gerade erleben, betrifft weitere Teile der Wirtschaft als die Finanzkrise 2009. Allen voran auch den Dienstleistungssektor, in dem viele Geringverdienende arbeiten.“

Wer schon vor der Krise wenig verdient hat, verfüge jetzt über keine Rücklagen. Wer vor der Kündigung weniger als ein Jahr erwerbstätig war, hat keinen Anspruch auf ALG I und muss direkt Hartz IV beantragen. Die Diakonischen Bezirksstellen des Kreisdiakonieverbands setzen auf Telefonberatung. Gerade in der augenblicklichen Situation benötigten Menschen mit wenig finanziellen Ressourcen auch sozialrechtliche Beratung.pm