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Attacke mit der Schere als Notwehr?

Gericht Angeklagter behauptet am zweiten Prozesstag, sich lediglich gegen Angriffe gewehrt zu haben.

Kirchheim. Der Angriff mit einer Schere gegen einen Mitbewohner in einer Kirchheimer Wohn-Unterkunft bezeichnet der angeklagte 31-jährige Tunesier als Notwehr. Der Mann muss sich seit fünf Wochen vor der Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts verantworten. Bei dem Scheren-Angriff war ein 20-jähriger Syrer erheblich verletzt worden.

Am ersten Verhandlungstag hatte der 31-Jährige noch von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Er soll neben dem versuchten Kirchheimer Totschlag-Delikt auch noch in Esslingen einen Mann mit Schlägen und einer abgebrochenen Bierflasche verletzt haben (wir berichteten).

Im gestrigen zweiten Prozesstag ließ der Angeklagte durch die Verlesung seiner Aussage den Angriff als eine Gegenwehr gegen massiven Angriffe des Syrers erklären: Er habe an jenem 6. Januar nach dem Konsum einiger Joints und etwa zehn Bieren sich eine Pizza gebacken, wobei es mit dem Mitbewohner in der Küche plötzlich Streit gab. Der Grund: Er habe sich für das Ausleihen eines T-Shirts nicht bedankt. Das Dankeschön habe er aber postwendend nachgeholt - und vom späteren Opfer dafür einen Schlag in das Gesicht bekommen. Der habe ihn am Hals gepackt und ihm dann noch einen Fausthieb auf den Kiefer verpasst. Dann habe er ihn auf den Boden gezwungen und seinen Fuß auf ihn gestellt. Danach hätte er ihn am Hals gewürgt, bis ihm die Luft weggeblieben sei.

Schere zufällig gesehen

In dieser Situation will der Angeklagte zufällig eine Schere entdeckt haben. Er habe sie ergreifen und sich damit wehren können. „Ohne Tötungsabsicht“, wie der Angeklagte betont. Er habe damit nur erreichen wollen, dass der 20-Jährige ihn los lässt. Denn der habe gleichzeitig auch ein Klappmesser gezogen und aufgeklappt. Da habe er selbst Todesängste erlitten. Und zwar dieselben Todesängste, die er auf seiner Flucht auf einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer in Richtung Lampedusa erlitt, als das Boot kenterte. Der Angreifer hätte ihn sicherlich mit dem Messer getötet, erklärt der Angeklagte seinen Schereneinsatz. Deshalb sei er nach der Auseinandersetzung ins Freie geflüchtet und habe bei einem Freund übernachtet.

Ob diese Version richtig ist, wollen die Richter in Stuttgart durch die Vernehmung des 20-jährigen verletzten Syrers feststellen. Das Verfahren, bei dem auch ein Gutachter den Drogen- und Alkoholkonsum des Angeklagten unter die Lupe nehmen wird, um dessen Schuldfähigkeit festzustellen ist auf noch weitere vier Tage terminiert. Am 6. August soll ein Urteil gesprochen werden. Bernd Winckler