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Auf Achse wie Robin Hood

Hobby Mit Pfeil und Bogen in der freien Natur zu schießen, wird immer beliebter. Die „TradBogner von der Teck“ führen den Sport zu seinen Wurzeln zurück. Von Daniela Haußmann

Bogenschießen ist ein abwechslungsreicher Sport, der laut Carmen Burghardt (kniend) auch bei Kindern und Jugendlichen zur mental
Bogenschießen ist ein abwechslungsreicher Sport, der laut Carmen Burghardt (kniend) auch bei Kindern und Jugendlichen zur mentalen Erholung beiträgt. Foto: Daniela Haußmann

Jana Weigl spannt den Bogen, schaut aufs Ziel, dann löst sich der Schuss. Der Pfeil saust auf dem Ötlinger Trainingsgelände der „TradBogner von der Teck“ durch die Luft und trifft die Tierattrappe genau in der „Killzone“, also im Herz-Lungen-Bereich. Der Schuss scheint der 17-Jährigen mühelos von der Hand zu gehen. Kein Wunder: Die Gymnasiastin ist nicht nur deutsche Meisterin, sondern auch amtierende Europa- und Vize-Weltmeisterin. Mit ihrem Sport bewegt sie sich in einer uralten Tradition. Die ältesten Bogenfunde stammen aus Dänemark und sind zwischen 6 000 und 8 000 Jahre alt. Im späten Mittelalter galten insbesondere die englischen Langbögen als regelrechte Wunderwaffe.

Ein guter Schütze feuerte zehn Pfeile pro Minute ab. Diese erreichen bei einer Zugkraft von 120 Pfund Geschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern. Angeb­lich konnten die mit sogenannten Langbögen abgefeuerten Pfeile bis zu zehn Zentimeter dicke Eichenbretter durchschlagen.

Beachtlich war auch die Reichweite: Um Ziele in größerer Entfernung zu treffen, nutzten die Engländer den hohen Bogenschuss, mit dem die Pfeile bis zu 350 Meter weit flogen. „Um einen solchen Bogen handhaben zu können, brauchten die Schützen nicht nur Geschick, sondern vor allem jede Menge Training und Muskeln“, sagt Jana, die beeindruckt ist, wie die Menschen schon in früheren Zeiten mit einfachen Mitteln solche Schießgeräte entwickeln konnten.

An der Technik feilen ist gefragt

Die Schülerin hat sich deshalb auch ganz bewusst dazu entschlossen, zu den „TradBognern“ zu stoßen. Denn sie pflegen das traditionelle intuitive Bogenschießen. „Wir verwenden sogenannte Blankbögen“, erzählt die 17-Jährige. „Die sind weder mit Zielhilfen, noch mit Stabilisatoren ausgestattet, die die Schwingung beim Pfeil-Abschuss dämpfen.“ Mit ihrem Sportgerät visieren die Schützen intuitiv ihr Ziel an. Carmen Burghardt erklärt, wie es geht: „Beine schulterbreit gespreizt, Füße gerade, Pfeil an der Sehne ‚einrasten‘ lassen, Arme hoch, Sehne bis zum Mundwinkel ziehen und dann die 3D-Attrappe mit beiden Augen ansehen.“ Die Jugendleiterin konzentriert sich voll und ganz auf den Kunststoffdachs.

Bogenarm, Pfeil und Pfeilspitze nimmt sie im Blickfeld nur verschwommen wahr. Unterbewusst richtet sie das Geschoss auf den Punkt aus, den sie treffen will. Sekunden später saust es über die Wiese und bohrt sich in die Tierfigur. Unzählige Male hat Carmen Burghardt genau das in verschiedensten Positionen und aus unterschiedlichsten Distanzen trainiert. Geist und Körper haben so Erfahrungswerte gesammelt, mit denen sich „nach Gefühl“ sogar bewegte Ziele treffen lassen, deren Flugbahn nicht berechenbar ist. „Dazu gehört viel Übung“, erklärt Burghardt. „Denn Voraussetzung für erfolgreiches intuitives Schießen ist eine exakt immer in der gleichen Weise ausgeführte Technik.“

An der feilt auch Rebekka Müller. Gemeinsam mit ihrer ganzen Familie ist sie Mitglied bei den „TradBognern“. Mit anderen in der Natur zu sein und bei Turnieren im Wald entlang eines Parcours auf Attrappen zu schießen, macht der Schülerin Spaß. Schließlich ist kein Schuss wie der andere. „Mal kurz, mal weit, dann wieder zwischen Bäumen hindurch, stehend oder liegend - der Wechsel macht den Reiz aus“, findet die 12-Jährige.

Angefangen hat sie mit einem Bogen, den ihr der Verein zur Verfügung gestellt hat. Das macht laut Carmen Burghardt auch bei Erwachsenen Sinn. „Denn beim Üben bauen sich Muskeln auf, sodass Schützen schnell einen stärkeren Bogen brauchen“, erklärt die Jugendleiterin. Einsteiger müssen also kein Vermögen investieren, um wie Robin Hood mit Pfeil und Bogen zu schießen.

Gut für die Konzentration

Der Sport hat viel zu bieten. „Kindern lernen hervorragend, sich zu konzentrieren“, findet Daniela Müller. Der Einklang von Natur, Bewegung und Erleben trägt für sie zur Erholung und Entspannung bei. Rebekkas Mutter betont aber auch, dass es beim 3D-Schießen auf Attrappen nicht darum geht, durch simulierte Jagdsituationen Hemmschwellen abzubauen. „Wir würden nie auf lebende Tiere schießen. Das ist in Deutschland mit Pfeil und Bogen verboten“, sagt Müller. „Vielmehr werden die Kinder für die Natur sensibilisiert.“