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Auf dem Globus blinken die Lichter auf

Internet Die Dettinger Firma Radiosphere gehört zu den Global Playern in Sachen Internetanalyse. Für ihre Kunden beobachtet Susanne Köhler, was weltweit über deren Produkte oder Aktionen gepostet wird. Von Iris Häfner

Susanne Köhler ist via Bildschirm weltweit für ihre Kunden unterwegs. Foto: Carsten Riedl
Susanne Köhler ist via Bildschirm weltweit für ihre Kunden unterwegs. Foto: Carsten Riedl

Die ganze Welt immer im Blick hat Susanne Köhler von der Dettinger Firma Radiosphere - und als Krönung gibt‘s die direkte Sicht auf die Teck aus dem Bürofenster noch dazu. Global Players gehören zu ihren Kunden, es sind namhafte Firmen und Nichtregierungs-Organisationen. Virtuell ist sie auf dem kompletten Globus zu Hause. Egal ob an der noblen amerikanischen Ostküste, im exotischen Indien, im australischen Busch, in den Weiten Russlands oder mal eben ums Eck in der Region Stuttgart. Ruft jemand die Homepage einer ihrer Kunden auf, dreht sich auf ihrem Bildschirm schlagartig die Weltkugel um die eigene Achse und es leuchtet ein Lichtlein auf - exakt dort, wo sich jemand für die Firma XY, einen Spendenaufruf oder eine Umwelt-Aktion interessiert.

Susanne Köhler ist ständig online und regelmäßig in sozialen Medien unterwegs. „Ich verschaffe mir täglich einen Überblick, was über unsere Kunden geäußert wird und wie“, erklärt sie. Facebook ist so eine Quelle. Meckern die Angestellten regelmäßig über das Kantinenessen, leitet sie das an die Firma weiter. Ist ein Maschinenbau-Unternehmen in Südamerika auf einer Messe, interessiert es die Fragen: Was machen die Wettbewerber? Was bewegt sich in meiner Branche? Wie reagieren Journalisten und Kunden? Sind die Daten gesammelt, beginnen Susanne Köhler und ihre Mitarbeiter mit der Analyse. „Verreißt die Zielgruppe ein Produkt, muss man sofort reagieren und nicht in der Jahresstrategie verharren. Das kann bedeuten, eine Kampagne zu verändern oder gar zu stoppen“, erläutert Susanne Köhler.

Sie geht auch der Frage nach, wie häufig über ein bestimmtes Auto im Netz gesprochen wird - oder es zu sehen ist. Große Automessen locken viele Fans an, die schnell mal das Smartphone zücken und Bilder von den tollen Boliden schießen. „Wie finde ich nun heraus, welcher dieser Fotografen ein potenzieller Kunde sein könnte?“, lautet deshalb die Frage, die sich Radiosphere gestellt hat. Bilderkennung heißt hier der magische Begriff, mit dem Susanne Köhler auch schon Plagiate aufspüren konnte. Nicht selten geht es auch um sicherheitsrelevante Informationen und potenzielle Gefahrenquellen - Stichwort Terrorismus.

Radiosphere arbeitet nach dem Code-Wort „MAKE“: Monitoring, Analyse, Interpretation, Kommunikation. Das Thema Bienensterben etwa interessiert sehr viele Menschen und Interessengruppen: Landwirte, Naturschützer und nicht zuletzt die Chemie-Riesen. Für sie alle lohnt sich die intensive Internetbeobachtung - wenn auch aus unterschiedlicher Sichtweise. Und auch die Menschen selbst stehen immer mehr im Fokus, wenn es beispielsweise um Mitarbeitergewinnung geht.

Susanne Köhler ist Wirtschaftsingenieurin und hat am Fraunhofer Institut in Stuttgart internationale Forschungsprojekte betreut. Im Jahr 1999 wagte sie mit zwei Partnern und eigener Software den Schritt in die Selbstständigkeit. Mindlab Solutions, ein Spezialist für Webanalyse, wurde in Owen gegründet. „Hype und Absturz - nach dem Crash durch die Terroranschläge am 11. September 2001 in New York“, erinnert sie sich und spricht von der Internetblase, die um die Jahrtausendwende kursierte. Viele Firmen seien extrem hoch bewertet worden, sofern sie irgendwie in der neuen Technologie unterwegs waren - nicht selten ohne jegliche Substanz, weshalb sie nach der kollektiven Schockstarre nach dem Terroranschlag zusammengebrochen sind. „Viele Projekte wurden auf Eis gelegt, auch wir sind geschrumpft. Aber dank treuer und guter Kunden, darunter viele Mittelständler, haben wir langsam und solide Umsatz gemacht“, erzählt sie. Die Firma wuchs, zog nach Esslingen und beschäftigte zwischen 40 und 50 Mitarbeiter, als Susanne Köhler nach 13 Jahren einen Schlussstrich unter dieses Kapitel zog, ihre Anteile an einen Investor verkaufte und die Leitung abgab. Nach einem halben Jahr Pause ging es mit Radiosphere und dem Social Media Monitoring in Dettingen weiter. 60 Kunden hat das Büro weltweit aus sämtlichen Branchen, um die sich fünf Mitarbeiter kümmern. Sie unterstützen beispielsweise Firmen bei ihren Kampagnen. Hier geht es darum, welche Themen besetzt und wie sie umgesetzt werden sollen. Das geht hin bis zur Texterstellung.

Wichtig ist dabei, nach dem Richtigen zu suchen, damit die Treffer genau sind. „Das ganze Rauschen ausblenden ist die Kunst der Analyse“, bringt es Susanne Köhler auf den Punkt.

Netz und Nutzung verändern sich laufend

„Wir müssen ständig am Ball bleiben, Veränderungen sind an der Tagesordnung. Facebook ist weg, es geht hin zu Messenger-Diensten wie WhatsApp“, sagt Susanne Köhler. Junge Menschen nutzen Instagram. „Der Trend geht weg vom Text. Es werden Bilder verschickt, deshalb ist Bilderkennung wichtig.“ Bandenwerbungen in den Stadien werden beispielsweise dank Smartphones viral verbreitet. Auch für jeden Einzelnen können die gesammelten Daten wichtig sein: „Das Dieselverbot kocht hoch - wie muss ich da reagieren? Nehme ich das Auto oder steige ich auf die öffentlichen Verkehrsmittel um. Schnell Daten zur Hand zu haben hilft, etwa ob es günstige Bus- oder S-Bahn-Anschlüsse gibt oder Stau auf der geplanten Route ist.“

Über Essen wird viel gepostet, das kann für viele Betriebe eine wichtige Information sein, ebenso wie ein Eintrag, dass in einem bestimmten Einkaufszentrum die Umkleidekabinen ständig dreckig sind. „Das Regionale wird wichtig“, ist die Internetspezialistin überzeugt. Ebenso die Interaktion im Netz mit Leuten, die man kennt. „Netzwerkeffekte sind nicht zu unterschätzen“, ist ihre Erfahrung. „Alle Unternehmen versuchen, nicht den Anschluss zu verlieren. Es geht ums Image und wie man den Kunden erreicht - aber auch darum, wie man im Krisenfall, etwa bei einem Flugzeugabsturz, reagiert“, sagt Susanne Köhler. Wenn die Menschen emotional aufgelöst sind, könnte das Thema Messenger ein Lösungsansatz sein.

Twitter wird immer noch trotz - oder gerade wegen - US-Präsident Trump als ernsthaftes Info-Medium angesehen. „International gesehen hat es die News-Funktion und ist ein wichtiges Medium wegen des schnellen Datenaustauschs“, sagt Sabine Köhler. ih