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Auf den Spuren Jackson Pollocks

Alles erlaubt, nur kein Pinsel: In der Linde fremdeln Schulkinder mit Ästen, aber lieben die Spraydose

Action Painting kennt keine Tabus: Mit dem Fahrrad-Anhänger verpassen die Kinder ihrem Kunstwerk den letzten Schliff.Fotos: Mark
Action Painting kennt keine Tabus: Mit dem Fahrrad-Anhänger verpassen die Kinder ihrem Kunstwerk den letzten Schliff.Fotos: Markus Brändli

Kirchheim. Äste, Blätter, Holzstücke liegen im Garten der Linde auf Planen verteilt. Große weiße Blätter Papier warten sehnsüchtig auf ihren großen Auftritt, und bunte Tuben

stehen bereit, geleert zu werden. Die Kinder des Herbstferienprogramms des Mehrgenerationenhauses Linde stecken schon in den Startlöchern. Etwas irritiert schauen die meisten trotzdem drein – Äste? „Krieg ich einen Pinsel?“, fragt gleich der erste Junge. Ohne Erfolg. Pinsel sind an diesem Tag tabu. Sie sind das einzige verbotene Werkzeug.

Das wilde Vorhaben der Pädagogen heißt „Action Painting“. Betreuerin Daniela Egner erklärt: „Wir bringen die Farbe in Aktion auf das Papier. Die Kinder können dabei verschiedene Materialien ausprobieren und experimentieren.“ Die Idee stamme von einem Künstler der Fünfzigerjahre: Jackson Pollock. Im Ferienprogramm zähle dabei nicht das Ergebnis, sondern der Prozess. Was am Ende dabei rauskommt, muss nicht proportional richtig sein oder einen bestimmten Gegenstand darstellen. Hauptsache es macht Spaß.

Ihre Werkzeuge haben die Kinder zuvor im Garten gesammelt. Im Gras und unter den Pflanzen findet sich so einiges Nützliches. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, solange man damit irgendwie Farbe aufs Papier zaubern kann. Auch etwas Tannengrün ist dabei. Daniela Egner zeigt sich schließlich gnädig. „Schau mal“, sagt sie zu dem Jungen und wickelt den dünnen, nadeligen Zweig um einen Ast. Die Pinselkonstruktion befestigt sie mit einem Stück Draht und drückt sie den Jungen in die Hand.

„Wenn sie das nicht kennen, kann man den Kindern ihre Reaktion nicht übel nehmen. Man muss ihnen nur einen Anschubser geben“, sagt Egner. Sie ist überzeugt, dass Kinder sich auf alles einlassen – im Gegensatz zu vielen Erwachsenen. Ziel des Ferienprogramms ist es, die Kinder aus dem Rasterdenken rauszukriegen und ihre Kreativität zu fördern.

Erleben können das alle. Das einwöchige Programm ist inklusiv – Kinder mit Handicap sind daran genauso beteiligt wie Betreuer mit Handicap. Die Betreuerin Patricia Netti zum Beispiel hat das Downsyndrom. Für das Ferienprogramm der Linde kommt die Künstlerin schon zum zweiten Mal aus dem Allgäu nach Kirchheim. Ansonsten helfen noch zwei behinderte Menschen von der Lebenshilfe mit. Die Zusammenarbeit klappe gut, so Daniela Egner. Die Kinder kennen die Helfer schon vom letzten Jahr, und besonders unter den Betreuern würden sich allmählich die Hemmschwellen abbauen.

Am anderen Ende des Gartens ist Sprayer und Kunstpädagoge Christian Pomplun am Werk. „Mit so jungen Kids habe ich noch nie gearbeitet“, sagt er. Umso erstaunlicher ist die geleistete Arbeit: Obwohl die Kleinsten kaum genug Kraft fürs Sprühen hatten, leuchtet die einst blaue Mauer jetzt in grellen Farben. Ein bisschen Platz mussten die Nachwuchssprayer für die zweite Graffiti-Gruppe am Nachmittag lassen – zu ihrem Bedauern. „Hättet ihr gerne weitergemacht?“, fragt Pomplun in die Runde. Alle Daumen gehen nach oben.

Das kunterbunte Graffiti-Werk ist ein Herbstbild. Links lassen Strichmännchen Drachen steigen, rechts verbuddeln sich Igel zum Winterschlaf. Bevor die Jungs und Mädels zu den Spraydosen greifen durften, sammelten sie Stichworte zum Thema Herbst. „Die Ideen hörten gar nicht mehr auf. Kinder sind eben von Natur aus kreativ“, ist der Ötlinger Künstler überzeugt.

Im Keller baut eine dritte Gruppe zur gleichen Zeit an Schuhkarton-Häusern. „Die meisten basteln ihr eigenes Kinderzimmer“, sagt eine Betreuerin. Doch in einer Ecke stapelt ein Junge gleich drei Kartons aufeinander, getragen wird das Modell von Säulen aus Klopapierrollen. Was das einmal wird? „Ein Schloss!“, sagt er.

Heute ist der letzte Tag des Kinderferienprogramms in der Linde. Dazu veranstaltet das Haus einen Tag der offenen Tür. Ab 15.30 Uhr können Verwandte und Interessierte im Mehrgenerationenhaus Linde, Alleenstraße 90, in Kirchheim vorbeigucken und sich die Werke der Kids anschauen.

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