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Auf die Todesfälle folgen kritische Fragen

Pandemie Im Dettinger Alten-und Pflegeheim „Haus an der Teck“ hat es einen Corona-Ausbruch gegeben. 15 Bewohner waren infiziert, zehn sind gestorben. Von Bianca Lütz-Holoch

Für ältere Menschen stellt das Corona-Virus eine besondere Gefahr dar. Deshalb gilt seit Mitte März auch ein Besuchsverbot in He
Für ältere Menschen stellt das Corona-Virus eine besondere Gefahr dar. Deshalb gilt seit Mitte März auch ein Besuchsverbot in Heimen. Symbolfoto

Zehn Bewohner des Alten- und Pflegeheims „Haus an der Teck“ in Dettingen sind innerhalb weniger Wochen gestorben. Sie alle waren vor ihrem Tod positiv auf das Corona-Virus getestet worden. „Insgesamt waren 15 Heimbewohner nachweislich mit Corona infiziert“, sagt Hausdirektor Timo Katolla. Fünf davon haben die Krankheit überstanden und sind wieder gesund. Seit 14 Tagen hat es nun keine neuen Fälle in Dettingen mehr gegeben. Auch alle Kontrollabstriche, die zuletzt genommen wurden, sind negativ. „Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, zeigen Erfolge“, äußert sich Timo Katolla vorsichtig optimistisch.

Die vergleichsweise hohe Zahl der Verstorbenen in dem Dettinger Heim lässt dennoch kritische Stimmen laut werden - bei Angehörigen, aber auch in der Ärzteschaft. Im Raum steht vor allem die Frage, ob frühzeitigeres und konsequenteres Handeln Schlimmeres hätte verhindern können. „Es ist mit Sicherheit Zeit vergeudet worden“, sagt ein Hausarzt, der Patienten in dem Heim behandelt und der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Seine Kritik richtet sich vor allem gegen die zuständige Kreisbehörde: „Das Gesundheitsamt war aus meiner Sicht nicht entschlusskräftig genug, und die Kommunikation hätte auch besser sein können.“

Über den Ausbruch des Corona-Virus im „Haus an der Teck“ sei er als Hausarzt, der in dem Heim ein und aus geht, weder vom Gesundheitsamt noch vom Pflegeheim und auch nicht von der Gemeindeverwaltung informiert worden. Eine Mitarbeiterin des Heims war laut Landratsamt bereits am 16. März positiv getestet worden, die ersten Bewohner rund zehn Tage später. „Ich habe das erst von einem befreundeten Arzt im Kirchheimer Krankenhaus erfahren“, sagt der Hausarzt. Aufgrund dieser Information habe er sich dann angeboten, sämtliche Mitarbeiter des Heims durchzutesten. Er habe aber eine Absage erhalten. „Niemand wollte für die Kosten aufkommen“, sagt er. „Die Krankenkassen bezahlen nur Tests, wenn sie vom Gesundheitsamt angeordnet werden.“ Und das sei nicht der Fall gewesen.

„Getestet wurden zu dem Zeitpunkt gemäß der Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) nur Kontaktpersonen mit Symptomen. Kontaktpersonen ohne Symptome wurden in Quarantäne geschickt“, informiert Peter Keck, Pressesprecher des Landratsamts in Esslingen. Am 4. April, also rund eine Woche nach dem Vorstoß des Hausarztes, gab es schließlich Tests für sämtliche Mitarbeiter des Dettinger Heims. „Damit sind wir sogar von den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts abgewichen, nur dann zu testen, wenn Symptome vorliegen“, so Keck. Auch Bewohner, die Kontakt zu Infizierten hatten, wurden getestet. Nach Ostern gab es schließlich Abstriche für alle Heimbewohner. „Wir haben uns sehr angestrengt, um das durchzukriegen“, sagt Hausdirektor Timo Katolla.

Der Hausarzt wiederum spricht noch andere Bereiche an, in denen er sich schnelleres Handeln gewünscht hätte. So habe er früh eine Isolierung der Bewohner, den Verzicht auf gemeinsame Mahlzeiten und die Verwendung von Schutzkleidung gefordert. „Mittlerweile ist fast alles vom Land angeordnet und umgesetzt worden - aber eben später.“

Ob Infektionen oder gar Todesfälle durch schnelleres Eingreifen hätten verhindert werden können, darüber möchte der Hausarzt nicht spekulieren. Genausowenig ist abschließend geklärt, wer von den Heimbewohnern tatsächlich an oder lediglich mit Corona gestorben ist. Der Arzt warnt aber vor der Annahme, dass an dem Virus nur diejenigen sterben, die ohnehin nicht mehr lange zu leben gehabt hätten.

Hausdirektor Timo Katolla betont, dass seine Einrichtung zu jeder Zeit nach den aktuellen Empfehlungen gehandelt habe: „Wir haben uns strikt an die Vorgaben des Gesundheitsamts gehalten.“ Täglich sei er in Kontakt mit der Behörde. Ständig würden die Maßnahmen angepasst. Nach Ursachen für den Ausbruch des tückischen Virus in seinem Heim möchte er nicht mehr suchen. „Oberste Priorität hat die bestmögliche Versorgung der Bewohner.“ Er mahnt auch, sich trotz aller Betroffenheit nicht mit Schuldzuweisungen aufzuhalten, sondern nach vorne zu blicken. „Das Virus wird uns noch eine Weile beschäftigen, und wir müssen weiterhin vorausschauende und verantwortungsvolle Wege finden, damit umzugehen.“

Einrichtung mit 96 Plätzen

Das „Haus an der Teck“ in Dettingen ist eine von 86 Einrichtungen der Evangelischen Heimstiftung. Es verfügt über 96 Plätze. Zehn davon stehen derzeit nicht zur Verfügung, weil es sich um Doppelzimmer handelt.

Seit dem 13. März herrscht in allen Pflegeheimen ein generelles Besuchsverbot. Über eine Schleuse können in Dettingen Angehörige aber Dinge für die Bewohner abgeben.

Seit dem 24. März arbeiten im „Haus an der Teck“ alle Mitarbeiter mit Mund-Nasen-Schutzmasken. Nach Angaben der Hausdirektion werden in den Einrichtungen der Heimstiftung zudem alle Corona-Verdachtsfälle wie bestätigte Fälle behandelt. bil