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Auge in Auge mit dem Papst

Begegnung Einfach nur Glück oder Schicksal? Carolina Lizarazo-Bross hat Papst Franziskus auf seiner Kolumbienreise in Bogotá getroffen. Doch die Dettingerin hat ihm dort nicht zum ersten Mal die Hand geschüttelt. Von Melissa Seitz

Foto: Jean-Luc Jacques

Wer den Papst einmal getroffen hat, der hat sicherlich jede Menge Glück gehabt. Nicht viele Menschen können von sich behaupten, schon mit dem Stellvertreter Christi auf Erden geplaudert zu haben. Wenn jemand dem Papst aber auch ein zweites Mal die Hand schütteln darf, dann kann man sicherlich nicht mehr von Glück reden – viel mehr von Schicksal. Carolina Lizarazo-Bross ist genau das passiert: Die Dettingerin, die vor 17 Jahren von Kolumbien nach Deutschland ausgewandert ist, war zweimal Papst Franziskus ganz nah.
Das erste Treffen mit Papst Franziskus ist ganz geregelt abgelaufen: „Ich habe eine Rede auf dem Petersplatz in Rom gehalten, danach habe ich kurz mit ihm sprechen können“, schwärmt sie. Kardinal Christoph Schönborn Erzbischof von Wien hatte sie zuvor gebeten, vom Internationaler Kongress der Barmherzigkeit zu berichten. Eine Rede vor Tausenden von Menschen und dem Papst halten und danach noch mit ihm ein paar Worte wechseln – klingt aufregend, ist aber nicht so spektakulär wie das zweite Treffen.

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Der Papst hält, was er verspricht
Ein Jahr nachdem die kolumbianische Regierung und die Guerilla-Organisation Farc ein Friedensabkommen unterzeichnet hatten, reiste der Papst für fünf Tage durch Kolumbien. Er hatte das versprochen, und Versprechen hält man nun mal: „Wenn dieser Friedensvertrag bei der geplanten Volksabstimmung den Segen der Kolumbianer erhält und international anerkannt wird, werde ich Kolumbien besuchen und zum Frieden beitragen.“ Gesagt, getan. Am 6. September setzte sich der Heilige Vater ins Flugzeug und machte sich auf den Weg nach Kolumbien.
Die ganze Familie verloren
So ein bedeutendes Event für ihr Land konnte sich Carolina Lizarazo-Bross nicht entgehen lassen. Mit „Hospital de Campo“, einer Gruppe von Journalisten und Personen, die sich für den Frieden in Kolumbien einsetzen, folgte die Dettingerin dem Papst auf seiner Reise. Während ihres Aufenthalts sprach sie mit Menschen, die in irgendeiner Art und Weise Opfer des kolumbianischen Krieges sind. Von vier Frauen war Carolina Lizarazo-Bross besonders begeistert. Jede von ihnen hat eine Geschichte zu erzählen: „Eine Frau zum Beispiel hat durch den Krieg ihre ganze Familie verloren, ihre Kinder, ihren Mann, einfach alles“, erklärt die Dettingerin, „Doch sie will keine Rache, sie ist offen für Frieden und Versöhnung.“
Die gebürtige Kolumbianerin lernte auch vier junge Männer kennen, die als Soldaten im Krieg verletzt wurden. Ihre Gesichter sind entstellt, viele sind erblindet. „Für mich war klar: Der Papst muss diese Männer treffen“, erzählt Carolina Lizarazo-Bross.

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Als der Heilige Vater am Abend nach zahlreichen Auftritten wieder zurück in die Nuntiatur nach Bogotá kam, machte sich die Dettingerin mit den vier ehemaligen Soldaten auf den Weg dorthin. Nach langem Hin und Her mit den Security-Leuten stand fest: Sie dürfen hinter die Absperrung. Doch die Männer hatten eine Bedingung: „Wir gehen nur, wenn du mit uns kommst, Carolina.“ Die Dettingerin nahm also einen der Männer am Arm und führte ihn in die Richtung des Vatikan-Oberhauptes. „Da er blind ist, habe ich ihm immer zugeflüstert, wie weit der Papst noch weg ist“, erzählt Carolina Lizarazo-Bross. Der Papst kam immer näher. „Als er dann vor uns stand, hat er uns den Segen gegeben“, berichtet sie.

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Es steht noch viel Arbeit bevor
Das Vatikan-Oberhaupt ist für die Dettingerin ein besonderer Papst: „Er kommt aus Lateinamerika, kann unsere Sprache und ist menschennah. Während seines Besuches hat er uns viel beigebracht.“ Was die Zukunft von Kolumbien angeht, ist die Carolina Lizarazo-Bross optimistisch. Der erste Schritt ist getan, jedoch stehe jetzt viel Arbeit an. Der Friede müsse zuerst in den Familien ankommen.

Nach mehr als 50 Jahren Krieg endlich Frieden in Kolumbien

Der Krieg zwischen Guerillagruppen, Armee und rechtsextremen Paramilitärs entzündete sich im Jahr 1964. Die Rebellengruppen bekämpften die soziale Ungleichheit in Kolumbien mit Gewalt.

Die Farc-Rebellen waren die größte und älteste Guerillaorganisation in Lateinamerika. Zu ihren Einnahmequellen gehörten unter anderem Entführung, Erpressung der Drogenkartelle und Herstellung und Schmuggel illegaler Drogen. Gemeinsam mit anderen Rebellengruppen kontrollierten die Farc-Rebellen im Laufe des Konflikts große Teile Kolumbiens.

Das Militär drängte die Farc seit 2002 immer weiter zurück.

Friedensverhandlungen prägen die zurückliegenden Jahre. Im September 2015 trafen bei Friedensgesprächen in Havanna erstmals Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos und Timoleón Jiménez, Anführer der Farc-Rebellen, aufeinander. Für seine Verhandlungen erhielt Präsident Santos den Friedensnobelpreis.

Einen Waffenstillstand vereinbarten beide Seiten am 22. Juni 2016. Die Rebellen haben Waffen und Sprengstoff an Vertreter der Vereinten Nationen abgegeben.

Circa 260 000 Menschen sind seit dem Jahr 1964 bei diesem Krieg ums Leben gekommen.

Etwa 6 800 Kämpfer sollen in das normale Leben zurückkehren. Die Guerillaorganisation Farc hat jetzt eine neue Partei gegründet.sei