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„Ausschlusskriterien für Hausgeburten sind sinnvoll“Zur Person

Dr. Hanns-Joachim Schmidt über die neuen Kriterien, strengere Maßstäbe im Ausland und die Sicherheit von Hausgeburten

„Ausschlusskriterien für Hausgeburten sind sinnvoll“Zur Person
„Ausschlusskriterien für Hausgeburten sind sinnvoll“Zur Person

Im afrikanischen Hinterland können Ausschlusskriterien für Hausgeburten Leben retten, sagt der Weilheimer Frauenarzt Dr. Hanns-Joachim Schmidt, der in dem Land Hebammen weitergebildet hat. Auch in Deutschland hält er Einschränkungen, wie sie jüngst beschlossen worden sind, für sinnvoll.

Antje Dörr

Herr Dr. Schmidt, Sie sind ein Verfechter von Ausschlusskriterien für Hausgeburten. Wieso?

HANNS-JOACHIM SCHMIDT: Ausschlusskriterien sind wichtig für die Sicherheit von Mutter und Kind. Sie haben sich im Krankenhausbereich bewährt. Eine Frau mit einer Frühgeburt würde ich zum Beispiel niemals in ein kleineres Krankenhaus schicken, sondern in ein Krankenhaus mit einer Kinderklinik mit Frühgeborenen-Abteilung, wo es außer geschultem Personal Brutkästen, Wärmebettchen die Möglichkeit zur Beatmung gibt. Es ist deshalb sinnvoll, Ausschlusskriterien auch bei Hausgeburten einzuführen. Allerdings wundere ich mich, dass es so wenige Kriterien sind. Beckenendlage, Mehrlingsschwangerschaft, vorangegangene Operationen an der Gebärmutter oder Schwangerschaftsvergiftung werden beispielsweise nicht genannt. Andere Länder haben viel strengere Ausschlusskriterien.

Welche sind das?

SCHMIDT: In England und Amerika soll man beim ersten Kind und ab dem vierten Kind ins Krankenhaus, weil bekannt ist, dass da das Risiko für Mutter und Kind am größten ist. Weitere Ausschlusskriterien in diesen Ländern sind: mütterliches Alter über 35, Schwangerschaft nach Kinderwunschbehandlung, Blutungen, Wachstumsstörungen beim Kind, Bluthochdruck, Gerinnungsstörungen, Streptokokken Gruppe B, vorhergegangene Operationen an der Gebärmutter und mehr. Über vieles kann man sicher diskutieren. Die Frage ist ja oft, wie schwer die Erkrankung ist. Manche dieser Gesundheitsstörungen verlangen aber zwingend nach einer Krankenhausbehandlung.

Hebammen befürchten, dass ihnen viele Hausgeburten wegbrechen, weil Gynäkologen künftig prinzipiell von Hausgeburten abraten werden, um nicht im schlimmsten Fall mit haftbar gemacht zu werden.

SCHMIDT: Zunächst einmal: Ich glaube nicht, dass durch die Kriterien, die die Krankenkassen festgelegt haben, den Hebammen Hausgeburten verloren gehen. Bei vielen dieser Kriterien würden sie die Frauen ohnehin ins Krankenhaus schicken. Zweitens: Jede Frau, die eine Hausgeburt wünscht, muss darüber aufgeklärt werden, dass es Alternativen gibt. Man kann beispielsweise ambulant entbinden. Ich muss sie über Risiken aufklären. Aber letztlich ist es die Entscheidung der Frau; meine Aufgabe ist, sie durch Aufklärung in eine Lage zu versetzen, sich entscheiden zu können. Ich kann und will ihr eine Hausgeburt gar nicht verbieten. Dazu kommt: Ich habe in der Regel gar keine Chance dazu. Wir haben praktisch keine Frauen in der Praxis, die Hausgeburten wünschen.

Wie sicher sind Hausgeburten?

SCHMIDT: Das lässt sich nicht seriös beantworten, weil es immer darauf ankommt, was man miteinander vergleicht. Bei vorab gescreenten Schwangeren schneidet die Hausgeburt beispielsweise relativ gut ab, weil Frauen, bei denen vorab ein Risiko bekannt ist, in einem Krankenhaus entbinden. Als Indiz für Zwischenfälle in der Hausgeburtshilfe kann jedoch die Höhe der Haftpflichtprämie herangezogen werden. Sie spiegelt bislang aufgetretene Schadensfälle wider. Die Prämien sind in der Vergangenheit stark angestiegen.

Bei Überschreitung des Geburtstermins müssen Frauen, die eine Hausgeburt wünschen, künftig zum Frauenarzt. Wieso?

SCHMIDT: Es gibt viele Daten, die zeigen, dass bei einer Übertragung das Risiko für das Kind stark ansteigt. Bei zwei Tagen Übertragung mag das noch kein Problem sein, wenn sonst keine Risikofaktoren bestehen. Es gibt auch einen gewissen Unschärfebereich, was die Berechnung des Geburtstermins angeht. Wobei wir da mittlerweile in den allermeisten Fällen richtig liegen, weil die Frauen in der Regel direkt nach dem Ausbleiben der Periode zu uns kommen. In solch einem frühen Stadium kann man den Entbindungstermin meist sehr korrekt vorhersagen. Aber zurück zur Übertragung: Ab dem siebten Tag Übertragung sprechen eigentlich alle Daten für eine Krankenhausentbindung.