Als Antwort auf die Festnahme eines rechtsterroristischen Kirchheimers Anfang des Jahres gibt es nun Veranstaltungen rund ums Thema Diskriminierung. Der Buchautor und freie Journalist Mohamed Amjahid hält vergangene Woche einen Vortrag in der Teck-Realschule, der von der „Partnerschaft für Demokratie“ in Kirchheim gefördert wurde.
Da die Bürger der Teckstadt eine zunehmende Salonfähigkeit von Diskriminierung und Fremdenhass in der Region befürchten, verfasst der „GEW-Arbeitskreis Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Initiativen“ die „Kirchheimer Erklärung“. Ähnlich wie bei einer Petition soll das Dokument zu mehr Bewusstsein gegenüber Rassismus führen - mit ihrer Unterschrift setzen die Bürger so ein Zeichen für mehr Offenheit und Akzeptanz im Ländle. Der Vortrag in der Teck-Realschule soll die erste von vielen Veranstaltungen sein. Vor einer offenen Gesprächsrunde erzählt Mohamed Amjahid den Schülern der 10 b von seinen persönlichen Erfahrungen im Alltag und Mikroaggressionen.
Bei der Wohnungssuche hat der freie Journalist größere Schwierigkeiten als seine Freunde - sie haben ähnliche Berufe, ähnliche Gehälter, nur das Äußere macht den Unterschied. Hier sieht er eine strukturell angelegte Diskriminierung einer Gruppe. Auf das Lob, er spräche aber doch gut Deutsch, erwidert er trocken, dass es für seine Stelle bei „Die Zeit“ gereicht habe. An Flughäfen wird der 32-Jährige grundsätzlich kontrolliert, während andere unbehelligt weiter dürfen.
Seine Frage an die Schüler, ob diese frei entscheiden könnten, was sie einmal werden würden, verneinen sie. Neben den Noten entscheiden auch die Vorstellungen der Eltern zum Beruf und die finanziellen Aussichten über die Wahl des Jobs.
Der Experte rät den Schülern daraufhin, sich von stereotypischen Rollenbildern loszusagen und aus dem Kreis des Reproduzierens auszubrechen. Der Stereotyp eines Rassisten wäre zum Beispiel ein kahlrasierter Mann.Eine Schülerin erzählt im Kontrast dazu, in einem Kirchheimer Park von einer Frau verfolgt und beschimpft worden zu sein, weil sie ein Kopftuch getragen hat. Sähe man diese Frau in ihrem Garten mit einer Nachbarin plaudern, würde keiner etwas Böses vermuten.
Weil es so schwer ist, gegen die Strukturen anzukämpfen, die über Jahrhunderte hinweg etabliert worden sind, gibt der Autor den Schülern einen Rat gegen Alltagsrassismus, den sie selbst anwenden können: „Sucht ein Vertrauensgespräch. Gebt dem Betroffenen das Signal, dass er nicht allein ist.“ Wenn es darum geht, Rassismus zu bekämpfen, weiß Mohamed Amjahid, dass es nicht darum geht, rassistische Parteien für verfassungswidrig zu erklären - diese seien nämlich nur die Spitze des Eisbergs.
Wichtiger wäre es, am individuellen Verhalten zu arbeiten. Die Mikroaggressionen zu erkennen, sei der erste Schritt, um weiter daran arbeiten zu können. So kann die Frage nach der Herkunft einer dunkelhäutigen Person für den einen nur als freundliches Interesse am Gegenüber gemeint gewesen sein. Der andere sieht sich indes darin bestätigt, nicht dazuzugehören. Diese unterschiedliche Wahrnehmung hängt mit Privilegien und Erziehung zusammen.
Die Reflexion des eigenen Verhaltens und Empathie füreinander sind daher wichtige Säulen für das Leben in einer Gesellschaft. Werte fürs soziale Miteinander zu vermitteln, sei auch im Aufgabenbereich von Lehrern und Erziehern, findet Mohamed Amjahid.