Weilheim · Lenningen · Umland
Beim Adler in Owen bewegt sich nichts

Städtebau In Owen werden die stockenden Pläne für den Bau des neuen Lauterquartiers zum Ärgernis. Der Investor beruft sich auf die Krise am Markt. Der Stadt sind die Hände gebunden. Von Bernd Köble

Bei aller Sachlichkeit in den Verkaufsverhandlungen, vor diesem Tag hatte er gehörigen Respekt. „Wenn der Adler abgerissen wird, bin ich irgendwo im Urlaub“, hatte Gastwirt Robert Scheu im November 2017 angekündigt. Als in Owen mit dem altersbedingten Rückzug der beiden Wirtsleute vor fünf Jahren ein Kapitel Heimatgeschichte endete und das traditionsreichste Gasthaus im Ort auf einen Inves­tor überging, blieb Ute und Robert Scheu immerhin die Vorfreude auf einen Alterssitz im neuen „Lauterquartier“ an selber Stelle. Doch das Schicksal verfolgt eigene Pläne. Vor wenigen Monaten verstarb Robert Scheu im Alter von 71 Jahren. „Der Einzug war ein Traum von uns“, sagt Ute Scheu heute.

Der Adler steht noch immer. Wie lange, weiß niemand. Als Stadtverwaltung und Projektentwickler im November 2019 den Entwurf für ein neues Quartier mit 20 bezahlbaren Wohnungen und Räumen für Kleingewerbe vorstellten, samt einem Tagescafé am renaturierten Lauterufer, das zum neuen Bürgertreff werden sollte, stand der Zeitplan fest. Baubeginn sollte im Frühjahr 2021 sein. Nach zwei Jahren sollte alles stehen.

Woran liegt es also, dass sich nichts bewegt? Fakt ist: Das Genehmigungsverfahren zog sich in die Länge. Trotz eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes, der das Verfahren eigentlich beschleunigen sollte, sind seit der Vorlage des
 

Das Projekt ist bezahlt.
Ob ich morgen anfange oder nicht,
spielt keine Rolle.
Stefan Russ
Der Investor zum Baubeginn im ­geplanten Lauterquartier.


Baugesuchs am 18. Januar neun Monate verstrichen. Bei der Stadt war man von Wochen ausgegangen, nachdem alle Stellen im Vorfeld am Verfahren beteiligt waren. Auf Nachfrage im Landratsamt scheint nun alles ganz schnell zu gehen: Die Baugenehmigung gehe noch diese Woche raus, lässt Bauamtsleiter Stephan Blank wissen.

Damit läuft die Uhr, denn laut Durchführungsvertrag bleiben dem Projektentwickler vom Tag der Genehmigung neun Monate Zeit, um mit dem Bau zu beginnen. Geht nun also alles ganz schnell? Wohl eher nicht. „Die Marktsituation ist schwierig“, sagt Investor Stefan Russ. „Das Projekt ist bezahlt, ob ich morgen anfange oder nicht, spielt keine Rolle.“ An dieser Position klebt ein Verdacht, der in Owen nur hinter vorgehaltener Hand geäußert wird. Russ, der 2017 beim Verkauf seiner Mercedes-Niederlassung im thüringischen Erfurt Erlöse in zweistelliger Millionenhöhe erzielt haben soll, gehe es gar nicht um eine zügige Umsetzung des städtebaulich bedeutenden Vorhabens, sondern in erster Linie darum, durch den Grundstückskauf Steuern zu sparen. Die Russ Estate hat in Owen vier weitere Immobilien aufgekauft. Zwei davon in direkter Nachbarschaft des Adlers.

„Ein tolles Projekt“

Eine Behauptung, die Russ ener­gisch zurückweist – und auch wieder nicht. Ins Lauterquartier zu investieren, um die Steuerlast zu mindern, räumt er ein, sei von vornherein der Plan gewesen. „Das ist legitim und ein völlig normaler Vorgang.“ Dass man an einer raschen Umsetzung gar kein Interesse habe, streitet er hingegen ab. „Das ist mein Projekt, und es ist ein tolles Projekt“, sagt Stefan Russ. „Ich werde hier dabei bleiben, bis der Schlüssel im Schloss steckt.“ Allerdings gilt für ihn auch umgekehrt: Explodierende Baupreise und eine drohende Rezession machen das Ganze im Moment wirtschaftlich wenig interessant. Den anfänglichen Plan, hier güns­tigen Wohnraum zu schaffen, unter anderem Wohnungen für Mitarbeiter der beiden Autohäuser in Dettingen und Nürtingen, hat Russ längst fallen gelassen. Billiges Wohnen gebe der Markt im Moment nicht her, wie er betont. Die von der Stadt gewünschte Apotheke, die es in Owen seit acht Jahren nicht mehr gibt? „Das kann man vorsehen, versprechen kann man es nicht“, sagt Russ. „Wir können auf Interessenten erst zugehen, wenn das Zeitfenster bekannt ist.“

Im Owener Rathaus geht man nach wie vor davon aus, dass hier zwei Partner an einem Strang ziehen. Und wenn nicht? Laut Durchführungsvertrag kann die Stadt nach Ablauf der neun Monate den Planbeschluss widerrufen. Dann müsste der Gemeinderat neu entscheiden, wie es weitergeht. „Die Stadt wäre dumm, das zu tun“, ist Stefan Russ überzeugt. „Bisher sehe ich keine Veranlassung, dass wir uns damit befassen“, geht Owens Rathauschefin Verena Grötzinger weiterhin von einem gemeinsamen Ziel aus und kündigt rasche Gespräche an, sobald die Baugenehmigung vorliegt.

Daran hängt noch ein weiteres Thema: Die Adler-Kreuzung am Abzweig Richtung Beuren soll eine Linksabbiegespur erhalten. Damit will man täglichen Stau, der in Owen allmorgendlich zu Schleichverkehr durch Wohngebiete führt, reduzieren. Den nötigen Grunderwerb hat die Stadt bereits getätigt. Doch solange der Adler steht, kann sich auch hier nichts bewegen.

Kritik, wonach die Stadt vor fünf Jahren selbst als Käuferin des Areals hätte auftreten sollen, weist Owens Bürgermeisterin zurück. Neben dem Kaufpreis habe damals auch der Wunsch eine Rolle gespielt, die Gastronomie an dieser Stelle zu erhalten. Ein Entwicklungsziel, das nicht originäre Aufgabe der Stadt sei, wie Grötzinger betont. „Wenn sich ein Inves­tor findet, der nach unseren Vorstellungen ein Projekt entwickelt, sollte man als Kommune nicht auf den Markt drängen.“ Ob sie und der Gemeinderat heute anders entscheiden würden? „Nach allem, was wir wissen“, sagt die Bürgermeisterin, „würden wohl andere Argumente in die Entscheidungsfindung einfließen.“

 

Ein Haus mit mehr als 340-jähriger Geschichte

Der Adler in Owen war Gasthaus und gesellschaftliches Zentrum zugleich in der Stadt. Im Adler-Saal fanden Hochzeiten, Vereinsfeiern und selbst Kino-Vorführungen statt. Bevor es die Teckhalle gab, hatte der Saal die Funktion einer Gemeindehalle.
Erbaut wurde das Gebäude 1680. In der Ortschronik taucht das Gasthaus am Postweg durchs Lenninger Tal als „Herberge zum Schwarzen Adler“ erstmals im Jahr 1708 auf.
Die Wirtsleute Ute und Robert Scheu waren die letzten, die den Gastbetrieb über mehr als 40 Jahre am Leben hielten. Weil kein Nachfolger zu finden war und eine Sanierung des in die Jahre gekommenen Gebäudes als unwirtschaftlich galt, wurde 2017 der Abriss und die Neubebauung mit Wohnungen und Gewerberäumen beschlossen.  bk