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Bernd Löffler liest aus Briefen von Mörike an seine Braut Luise Rau

Bernd Löffler liest aus Briefen von Mörike an seine Braut Luise Rau

Bernd Löffler liest Mörike.  Foto: Peter Treuherz
Bernd Löffler liest Mörike. Foto: Peter Treuherz

Kirchheim. Die Mitglieder des Literaturbeirats möchten in der Zeit des Weihnachtstrubels einen Moment der Ruhe bieten. Sie laden zur Adventszeit am frühen Abend zu Lesungen im Max-Eyth-Haus ein. Dabei

Ulrich Staehle

treten sie nicht, wie gewohnt, als Organisatoren auf, sondern lesen selbst.

Im Rahmen des Themas „Liebe und Leidenschaft“ kam Kleists „Marquise von O...“ und Thomas Manns „Luischen“ zur Sprache. Bernd Löffler lenkte am Sonntagabend die Aufmerksamkeit auf Liebe und Leidenschaft in unsere unmittelbare Region. Er las aus Mörikes Brautbriefen an Luise Rau. Löffler ist ein Urgestein des Literaturbeirats. Er war schon bei der Gründung dabei und danach jahrelang Mitglied. Deshalb und erst recht als Germanist kennt er sich bestens aus bei Autoren, deren Andenken im Literaturmuseum gepflegt werden.

So auch bei Mörike. Löffler führte aus, dass Mörike nicht weniger als neunundsechzig Briefe an seine Braut geschrieben habe, alle in der Zeit des Vikariats, das Mörike selbst als „Vikariatsknechtschaft“ bezeichnet hat. Auf einer der Vikariatsstellen, in Plattenhardt, lernt er die Pfarrerstochter Luise kennen und lieben. 1829 verlobt er sich mit ihr. Sie schreiben sich Briefe. Mörikes Briefe sind erhalten, Luises nicht. Sie hat wohl nach der Entlobung die zurückerhaltenen Briefe vernichtet.

Bernd Löffler hat nun aus diesem Reichtum von Mörikes Briefen eine geeignete Auswahl für eine einstündige Lesung zusammengestellt. Der Zuhörer staunt vom ersten Moment an: Was für eine Briefkultur herrschte in der damaligen Zeit! Nun ja, die Menschen waren damals noch nicht „automobil“, man hat sich selten gesehen. Bei Mörike kam noch eine individuelle Neigung hinzu, sich in Briefen zu offenbaren. Er schreibt einmal an Luise: „Meine Briefe aber sollen und müssen jedes Mal ein getreuer Abdruck meines Zustandes sein“.

Die Briefausschnitte, die Löffler vorlas, gaben einen „getreuen Abdruck“ seiner Gefühle und seiner Lebensumstände wieder. Die Briefe aus Plattenhardt und Owen, also bis zum Sommer 1831, sind noch von Liebesseligkeit und der Hoffnung auf eine feste Anstellung geprägt. Besonders innig schreibt Mörike über eine Frauenfigur auf einem Altarbild der Owener Kirche, die Ähnlichkeit hat mit seiner Geliebten. Und er schwärmt von Ausflügen, zur Sulzburg und auf die Alb. Allerdings geht es bei der festen Anstellung nicht vorwärts und Mörikes Bruder Karl wird wegen revolutionärer Umtriebe arretiert, was an dem Pfarrvikar nicht spurlos vorbeigeht.

In Ochsenwang, der nächsten Vikariatsstelle, kommen noch weitere Schwierigkeiten hinzu: Es liegt aus der Welt, die Winter sind streng, die Arbeitsbedingungen schlecht. Aber immerhin schwärmt er noch von Spaziergängen mit Freunden und vom „spitzigen Fels“ mit seiner prächtigen Aussicht. Da wird es dem Kirchheimer heute warm ums Herz. In den Briefen aus Ochsenwang finden sich immer noch die herzlichen Anreden: „Liebstes, einziges Herzchen“ und innige Grußworte: „Ewig. Dein treuer Eduard“, doch sie handeln zunehmend von Problemen. Mörike fühlt sich im Pfarrberuf unglücklich und es gibt keine Möglichkeit, im Bereich der geliebten Poesie eine Existenz zu gründen. Mörike wehrt sich gegen Vorwürfe Luises, er kümmere sich zu wenig um sie. Dies und die erfolglose Suche nach einer beruflichen Existenz –Luise brauchte Sicherheit – führte im November 1833 zur Entlobung. Zu Mörikes Zeit und noch lange danach konnte man es sich nicht vorstellen, dass die Initiative für die Trennung von der Frau ausging. Doch heute ist man sich dessen sicher. Luise Rau hat dann den verwitweten Pfarrer Schall geheiratet, mit ihm in Oberlenningen gelebt und mit Hingabe dessen Kinder großgezogen.

Bernd Löffler hat mit seiner Lesung einen beeindruckenden Einblick in die innere Zerrissenheit Mörikes gewährt. In dieser Zerrissenheit ist eine anscheinend oder scheinbar leidenschaftliche Beziehung zu Bruch gegangen. Es bleibt die Frage, ob die Leidenschaft so echt war oder literarisch stilisiert. Und damit zusammenhängend: War die Entlobung ein tragisches Verhängnis oder ein notwendiger Schlusspunkt einer zum Scheitern verurteilten Zukunftsillusion.

Heute Abend bietet der „Literarische Weihnachtsmarkt“ Ausschnitte aus "Der große Gatsby" von F. Scott Fitzgerald, gelesen von Stefanie Schwarzenbek. Die Lesung beginnt um 18.30 Uhr im Literaturmuseum in Kirchheim.