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Beschäftigte schenken Arbeitgebern Millionen Stunden

Arbeitswelt Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hat eine Studie für den Kreis Esslingen ausgewertet.

Nicht nur im Gastrobereich sind viele Überstunden aufgelaufen. Foto: pexels

Kreis. Rund 4,88 Millionen Überstunden haben die Menschen im Landkreis Esslingen im vergangenen Jahr am Arbeitsplatz zusätzlich geleistet. Davon 2,94 Millionen Arbeitsstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Das geht aus dem „Überstunden-Monitor“ des Pestel-Instituts hervor.

Die Wissenschaftler haben dabei die „Plus-Stunden im Job“ im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) untersucht. Ein pikantes Ergebnis aus dem Überstunden-Monitor: „Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen im Landkreis Esslingen durch unbezahlte Mehrarbeit rund 42,39 Millionen Euro quasi ‚geschenkt‘. Und das ist nur auf Mindestlohn-Basis gerechnet“, sagt Hartmut Zacher von der NGG Stuttgart. Außerdem sei der Überstunden-Berg auch ein Gradmesser für den massiven Fachkräftemangel.

„Allein in Hotels, Restaurants und Gaststätten leisteten die Beschäftigten im vergangenen Jahr im Landkreis Esslingen rund 66 000 Überstunden. 27 000 davon ohne Bezahlung – quasi für umsonst“, so das Pestel-Institut. Die Wissenschaftler haben bei ihrer Untersuchung aktuelle Mikrozensusdaten ausgewertet. Basis der Überstunden-Berechnung ist die Übertragung von Branchen-Durchschnittswerten auf die Beschäftigungsstruktur des Kreises Esslingen. Mit Blick auf die Überstunden warnt die NGG Stuttgart: Hotellerie und Gastronomie könnten nicht dauerhaft auf die „Goodwill-Überstunden“ ihrer Beschäftigten bauen. „Es wird höchste Zeit, das Fachkräfte-Loch zu stopfen, das die Corona-Pandemie noch vergrößert hat. Das klappt allerdings nur, wenn Hotels und Restaurants bereit sind, attraktive Löhne zu bezahlen. Perspektivisch muss der Gastro-Startlohn für eine Köchin oder einen Restaurantfachmann nach der Ausbildung bei 3000 Euro pro Monat für einen Vollzeitjob liegen“, so Hartmut Zacher.

Dieses „Lohn-Ziel“ müsse die Gastro-Branche Schritt für Schritt erreichen. Nur dann werde es gelingen, junge Menschen für eine Ausbildung im Hotel oder Restaurant zu gewinnen. Das Gastgewerbe erlebe gerade einen regelrechten „Fachkräfte-Schwund und Minijob-Schub“. Ob in der Küche, im Service, an der Hotelrezeption oder auch an der Bar: „Die Branche versucht, fehlende Fachkräfte immer häufiger durch angelernte Beschäftigte zu ersetzen“, berichtet der Geschäftsführer der NGG Stuttgart. Mittlerweile seien 58 Prozent der Gastro-Beschäftigten im Kreis Esslingen Mini-Jobber.

Thema beim Gewerkschaftstag

Der Fachkräfte-Mangel und eine faire Bezahlung in der Gastronomie, im Lebensmittelhandwerk und in der Ernährungsindustrie sollen auch ein Schwerpunktthema auf dem Gewerkschaftstag der NGG Mitte November in Bremen sein, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet wird. pm