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Biergenuss mit Wow-Effekt

Wer Mut hat, überrascht seine Gäste mit schmackhaften Biervariationen

Sie heißen „Bock Shot“ oder „Dark Velvet“, schmecken fruchtig oder scharf, haben Alkohol oder nicht. Doch eines haben sie gemeinsam: Gemixt werden sie mit Bier. Wer seine Gäste zu Silvester mit etwas Neuem überraschen will, sollte beim Stichwort Biercocktail erst kosten und nicht gleich abwinken.

Aus Malzextrakt und Schnaps lässt sich laut Michael Attinger ein köstlicher Bierlikör zaubern.Foto: Daniela Haußmann
Aus Malzextrakt und Schnaps lässt sich laut Michael Attinger ein köstlicher Bierlikör zaubern.Foto: Daniela Haußmann

Kirchheim/Esslingen. „Die erste Pflicht der Musensöhne ist, dass man sich ans Bier gewöhne“ – eine Weisung von Wilhelm Busch, die bei so manchem Getränkekünstler hinter der Bar auf taube Ohren stößt. Das Bier nach Feierabend, Radler oder Russn, sind recht und schön, doch der Gerstensaft hat wesentlich mehr Potenzial. Wer „Bier“ und „mixen“ in einem Satz hört, denkt normalerweise an Biermischgetränke, die er irgendwo zwischen grausig und erquicklich ansiedelt.

Zu viele sehen laut Michael Attinger in der Vielfalt mehr ein Hindernis, als eine Chance. Bier, wo sonst Sodawasser oder Fruchtsäfte untergemischt werden, verleiht Attinger zufolge „Cocktails einen besonderen Pfiff, der an Weihnachten und Silvester für einen Wow-Effekt sorgt.“ Der Betreiber von Kirchheims erster Gasthausbrauerei, der Stiftsscheuer, weiß, wovon er spricht: Gerstensaft verleiht Cocktails ein ausgeprägtes Profil, mit süßen Malznoten, die von Honig über Karamell bis Schokolade reichen. Bei hopfigen Bieren hingegen schmeicheln erfrischende Nuancen von Tropenfrüchten Gaumen und Zunge.

„Im Bier wurden rund 8 000 Inhaltsstoffe nachgewiesen“, sagt Irina Zimmermann. „Das eröffnet eine unglaubliche Kombinationsvielfalt und zwar jenseits der Fertigmischungen aus denen Biermixgetränke bestehen.“ Hier gilt: Studieren geht über Probieren. Wobei die Esslinger Biersommelière betont, dass der gute Tropfen vom Hopfen ebenso wie die Zutaten für ein schmackhaftes Essen sorgfältig und wohlüberlegt ausgewählt werden sollte. Nur so sei ein ansprechendes Geschmackserlebnis gewährleistet.

Wer in der Winterzeit ein Glühbier genießen möchte, dem rät die Diplomingenieurin mit Fachrichtung Brauwesen zu einem Fruchtlambic. Früchte, wie Kirschen oder Himbeeren, die dieser belgischen Bierspezialität beigemischt werden, sorgen der Expertin zufolge für ein rundes Aroma, das sehr gut mit Orangensaft, Kardamom und Zimtstangen als weiteren Zutaten harmoniere. „Das Gemisch sollte aber nur bis maximal 50 Grad erhitzt werden, damit Alkohol und Kohlensäure nicht verloren gehen“, warnt Irina Zimmermann. „Wer das beherzigt, wird mit einem wunderbaren Glühbier belohnt, das im Vergleich zu Glühwein einen deutlich geringeren Alkoholgehalt aufweist.“

Eiscafé kennt jeder, dass sich Ähnliches auch aus Guinness zaubern lässt, wissen dagegen nur wenige. „Einfach eine Kugel Vanilleeis in ein Glas geben, das mit Guinness und Baileys aufgefüllt wird“, erklärt die Biersommelière. „Den krönenden Abschluss bildet eine Sahnehaube, die mit Kakao bestreut wird.“ Gastgeber, die anstelle von Sekt mit einem Aperitif der anderen Art aufwarten möchten, können laut Michael Attinger Kölsch mit der hellen Limonade Zitronenstolz und Bitterorangenlikör mischen: „Das ist ein leichtes, spritziges und erfrischendes Getränk. Wer es gerne fruchtig mag, kann ein Weizen mit gefrorenen Erdbeeren oder Himbeeren ansetzen, Erdbeer- beziehungsweise Himbeersirup dazugeben und eine Bowle herstellen.

Freunde exotischer Aromen hingegen werden Attinger zufolge den „Altbier Breezer“ lieben. Einfach vier halbierte Kumquats in ein Caipirinha-Glas geben, ein Esslöffel weißer Rohrzucker dazu und mit einem Stößel leicht andrücken. „Das Glas zu 75  Prozent mit Eiswürfeln auffüllen, drei Zentiliter 40-prozentigen Lemon Hard Rum Gold hinzugeben und zwei Zentiliter Cointreau“, verrät Attinger. „Dann das Glas mit Altbier auffüllen und genießen.“ Wer aber ein ausgeprägtes Bierprofil bevorzugt, sollte dem Fachmann zufolge anstelle von Zucker Malzextrakt verwenden.

Für Irina Zimmermann sind Bier und bierhaltige Getränke der optimale Begleiter für die üppigeren Festtagsgerichte. Die im Gerstensaft enthaltenen Bitterstoffe regen den Appetit an und fördern die Verdauung. Für Irina Zimmermann steht fest, dass sich die Festtage jenseits von Schaumwein und Rebensaft auch mit Biervariationen genussvoll gestalten lassen.

Auf die Mischung kommt es anInterview

Auf die Mischung kommt es anInterview
Auf die Mischung kommt es anInterview

Die Deutschen sind in Sachen Bier nicht gerade sehr experimentierfreudig. Dabei sind die Zeiten vorbei, in denen der Gerstensaft ausschließlich als billiges und uniformes Alltagsgetränk gelten konnte. Das Spektrum und die Variationsmöglichkeiten haben sich erweitert, wie die Esslinger Biersommelière Irina Zimmermann betont, die bei der Weltmeisterschaft der Biersommeliers in Sao Paolo den dritten Platz belegte. Daniela Haußmann hat die Bierexpertin für den Teckboten interviewt.

Worauf kommt es beim Biermixen in den eigenen vier Wänden an?

ZIMMERMANN: Die größte Hürde besteht wohl darin, dass viele nur die einheitlichen Biere aus dem Handel kennen. Wer mit Bier gute Cocktails zaubern will, sollte über den Tellerrand blicken. Sich irgendein Bier zu schnappen und mit den Zutaten gängiger Cocktails zu mischen kann geschmacklich ziemlich ernüchternd sein. Außerdem soll das Bier den Drink als gleichberechtigte Komponente bereichern und nicht von anderen Aromen überlagert werden. Das Ziel muss eine harmonische Einheit sein.

Gibt es Faustregeln für die richtige Mischung?

ZIMMERMANN: Sind die Zutaten – Liköre, Säfte, Sirups – eher süß, sollte ein herbes, bitteres Bier, zum Beispiel ein Pils, gewählt werden. Ist der Basis-Alkohol eher hell, eignet sich auch ein helles Bier am besten für den Cocktail. Dunkle Alkoholsorten passen optisch und geschmacklich besser zu einem dunklen Bier.

Viele Cocktails werden geschüttelt. Gilt das auch für die mit Bier?

ZIMMERMANN: Vom Schütteln kann ich nur abraten. Dabei geht die ganze Kohlensäure verloren und die erfrischend spritzige Note. Das Bier sollte langsam eingeschenkt werden. So geht auch die für Biermixgetränke wichtige Blume nicht verloren.

Ist Crushed Ice die richtige Wahl?

Irina Zimmermann: Crushed Ice verwässert Biercocktails zu schnell. Deshalb sind Eiswürfel die bessere Wahl.