Kirchheim/Esslingen. „Die erste Pflicht der Musensöhne ist, dass man sich ans Bier gewöhne“ – eine Weisung von Wilhelm Busch, die bei so manchem Getränkekünstler hinter der Bar auf taube Ohren stößt. Das Bier nach Feierabend, Radler oder Russn, sind recht und schön, doch der Gerstensaft hat wesentlich mehr Potenzial. Wer „Bier“ und „mixen“ in einem Satz hört, denkt normalerweise an Biermischgetränke, die er irgendwo zwischen grausig und erquicklich ansiedelt.
Zu viele sehen laut Michael Attinger in der Vielfalt mehr ein Hindernis, als eine Chance. Bier, wo sonst Sodawasser oder Fruchtsäfte untergemischt werden, verleiht Attinger zufolge „Cocktails einen besonderen Pfiff, der an Weihnachten und Silvester für einen Wow-Effekt sorgt.“ Der Betreiber von Kirchheims erster Gasthausbrauerei, der Stiftsscheuer, weiß, wovon er spricht: Gerstensaft verleiht Cocktails ein ausgeprägtes Profil, mit süßen Malznoten, die von Honig über Karamell bis Schokolade reichen. Bei hopfigen Bieren hingegen schmeicheln erfrischende Nuancen von Tropenfrüchten Gaumen und Zunge.
„Im Bier wurden rund 8 000 Inhaltsstoffe nachgewiesen“, sagt Irina Zimmermann. „Das eröffnet eine unglaubliche Kombinationsvielfalt und zwar jenseits der Fertigmischungen aus denen Biermixgetränke bestehen.“ Hier gilt: Studieren geht über Probieren. Wobei die Esslinger Biersommelière betont, dass der gute Tropfen vom Hopfen ebenso wie die Zutaten für ein schmackhaftes Essen sorgfältig und wohlüberlegt ausgewählt werden sollte. Nur so sei ein ansprechendes Geschmackserlebnis gewährleistet.
Wer in der Winterzeit ein Glühbier genießen möchte, dem rät die Diplomingenieurin mit Fachrichtung Brauwesen zu einem Fruchtlambic. Früchte, wie Kirschen oder Himbeeren, die dieser belgischen Bierspezialität beigemischt werden, sorgen der Expertin zufolge für ein rundes Aroma, das sehr gut mit Orangensaft, Kardamom und Zimtstangen als weiteren Zutaten harmoniere. „Das Gemisch sollte aber nur bis maximal 50 Grad erhitzt werden, damit Alkohol und Kohlensäure nicht verloren gehen“, warnt Irina Zimmermann. „Wer das beherzigt, wird mit einem wunderbaren Glühbier belohnt, das im Vergleich zu Glühwein einen deutlich geringeren Alkoholgehalt aufweist.“
Eiscafé kennt jeder, dass sich Ähnliches auch aus Guinness zaubern lässt, wissen dagegen nur wenige. „Einfach eine Kugel Vanilleeis in ein Glas geben, das mit Guinness und Baileys aufgefüllt wird“, erklärt die Biersommelière. „Den krönenden Abschluss bildet eine Sahnehaube, die mit Kakao bestreut wird.“ Gastgeber, die anstelle von Sekt mit einem Aperitif der anderen Art aufwarten möchten, können laut Michael Attinger Kölsch mit der hellen Limonade Zitronenstolz und Bitterorangenlikör mischen: „Das ist ein leichtes, spritziges und erfrischendes Getränk. Wer es gerne fruchtig mag, kann ein Weizen mit gefrorenen Erdbeeren oder Himbeeren ansetzen, Erdbeer- beziehungsweise Himbeersirup dazugeben und eine Bowle herstellen.
Freunde exotischer Aromen hingegen werden Attinger zufolge den „Altbier Breezer“ lieben. Einfach vier halbierte Kumquats in ein Caipirinha-Glas geben, ein Esslöffel weißer Rohrzucker dazu und mit einem Stößel leicht andrücken. „Das Glas zu 75 Prozent mit Eiswürfeln auffüllen, drei Zentiliter 40-prozentigen Lemon Hard Rum Gold hinzugeben und zwei Zentiliter Cointreau“, verrät Attinger. „Dann das Glas mit Altbier auffüllen und genießen.“ Wer aber ein ausgeprägtes Bierprofil bevorzugt, sollte dem Fachmann zufolge anstelle von Zucker Malzextrakt verwenden.
Für Irina Zimmermann sind Bier und bierhaltige Getränke der optimale Begleiter für die üppigeren Festtagsgerichte. Die im Gerstensaft enthaltenen Bitterstoffe regen den Appetit an und fördern die Verdauung. Für Irina Zimmermann steht fest, dass sich die Festtage jenseits von Schaumwein und Rebensaft auch mit Biervariationen genussvoll gestalten lassen.