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Bilder von Hoffnung und Freiheit

Acht Künstler, ein Thema: Ausstellung „Fluchtwege“ steht unter dem Eindruck der Flüchtlingsströme

Aktueller kann Kunst kaum sein: Unter dem Titel „Fluchtwege“ setzen sich acht Künstler aus der Region in der neuen Ausstellung des Kirchheimer Kunstvereins auf unterschiedliche Weise mit einem der brisantesten Themen der Zeit auseinander.

Künstler aus der Region setzen sich mit dem Thema Flucht auseinander.Foto: Genio Silviani
Künstler aus der Region setzen sich mit dem Thema Flucht auseinander.Foto: Genio Silviani

Kirchheim. Selten war die Resonanz auf eine Vernissage des Kirchheimer Kunstvereins so groß: Weit über 60  Gäste drängten sich in der Städtischen Galerie im Kornhaus. Von der Aktualität der Ausstellung sind die Kunstvereins-Vorsitzende Gabi Finkbeiner und ihr Vorgänger im Amt, Johannes Nagel, selbst etwas überrascht. Denn das Motiv zur Ausstellung entstand bereits vor zwei Jahren. „Das Thema bezieht sich nicht auf die Flüchtlinge, sondern ist offen“, betont Gabi Finkbeiner.

Dennoch: Das Flüchtlingsthema dominiert. Intensiv zum Beispiel in der Arbeit von Uwe Schwarz. „Boote“ lautet der schlichte Titel seiner Installation. Doch nicht massiv aus Stahl oder Holz sind seine Schiffe; vielmehr nutzlose Gerippe aus schwarzem Gittergeflecht, zum Untergang geweiht. Unsicher und todbringend wie so viele, mit denen sich Menschen auf der Flucht auf den Weg übers Mittelmeer machen.

Stephanie Koelle setzt mit ihrem großen Holzkreuz ein Zeichen der Hoffnung dagegen. Ihr Kreuz zeigt Fotos von Flüchtlingen, die ihren Weg nach Deutschland geschafft haben, die auf dem Weg sind, sich eine neue Existenz aufzubauen, wieder Fuß fassen wollen. Es zeigt ihre Hände, Augen, Füße, nackt und verletzlich und doch unangreifbar für die hässlichen großen Nägel, die an den Seiten stecken.

Aus einem schwarzen Loch in der Wand ergießt sich bei Lene Rose Gruners Werk „Fluchtweg“ eine Flut von Figuren. Von Picasso hat sie sich zu einem Motiv inspirieren lassen, das nicht nur vom frontalen Anblick funktioniert. Nähert sich der Betrachter von den Seiten, erschließen sich immer neue Strukturen, Figuren und Details. „Man könnte das Bild von vier Seiten betrachten“, regt die Künstlerin zu einem Perspektivenwechsel an.

Dunkelheit ist auch bei Hanni Deer der Ausgangspunkt für ihre künstlerische Auseinandersetzung zum Thema „Fluchtwege“. Doch löst die Malerin in ihren Werken das Düstere auf, öffnen sich Fenster, Fluchtpunkte in verlockenden Farben und Licht versprechen nicht nur einen Ausweg, sondern gar Happy End. In dem zehnteiligen Werk „Lichtblicke“ aus aneinandergereihten Tafeln gipfelt es in einem blendend hellen Quadrat.

Aus den abstrakten und modernen Arbeiten stechen Sabine Fleischmanns Bilder im Stile der Niederländer heraus wie aus der Zeit gefallen. Doch ihr Inhalt ist ebenso von aktueller Brisanz: Sie kreisen um die Frage, wie Menschen mit der Natur umgehen. Ein „Memento Mori“ an die industrielle Nutzung von Lebensmitteln, nennt Nagel es in seiner Einführung.

Das Märchen von König Blaubart hat Ana Fumic zum Ausgangspunkt für ihre Beiträge zur Ausstellung gewählt. Ihr Thema sind unterschiedliche Formen der Gefangenschaft von Frauen – ob selbst gewählt oder erzwungen. Ausdruck findet das in verschiedenen Schnürungen, Schnallen und Gurtzeug, die Elemente ihrer Arbeiten sind.

Der Kunstverein ist die eine Seite ihres Engagements, die Flüchtlingsarbeit die andere: Gabi Finkbeiner hat sich von ihren Erlebnissen in den Flüchtlingsunterkünften zu der Installation „Fluchtwege“ inspirieren lassen. Als wiederkehrendes Element setzt die Künstlerin das grün-weiße Piktogramm ein, das in jedem öffentlichen Gebäude den Fluchtweg markiert. Nur einen Ausweg aus der Installation weisen sie nicht, sie verwirren, weisen mal nach links, mal nach rechts.

Auch in Gunter Krönes‘ Beitrag ist der sichere Weg in die Freiheit nicht so leicht zu finden. Einem Organismus gleich durchzieht seine raumgreifende Arbeit den Ausstellungssaal, führen fleischfarbene Schläuche von einer Kreuzung zur nächsten. „Ein offenes System, dem die Freiheit ebenso innewohnt wie das tödliche Ende“, so Nagel.

Der Ausgangspunkt, Prägungen, die eigene Geschichte, Erfahrungen und Erlebtes – die Ausstellung „Fluchtwege“ zeigt unterschiedliche Motive, die einem Kunstwerk zugrunde liegen können. Und das Kunst eben mehr ist als Selbstzweck.

Die Ausstellung des Kunstvereins Kirchheim in der Städtischen Galerie im Kornhaus ist noch bis zum 20.  März zu besichtigen. Öffnungszeiten: Dienstag, 14 bis 17 Uhr, Mittwoch bis Freitag 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag 11 bis 17 Uhr. Nähere Informationen gibt es auch unter kunstverein-kirchheim.de.