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Chai buddelt nach Schätzen

Mit dem neuen Treffpunkt „Jet“ will die Flüchtlingsberatungsstelle Jobs an den Mann bringen

Am Freitag legt das Jet-Café richtig los: Acht Mitarbeiter widmen den versteckten Talenten von Flüchtlingen die Zeit, die das Job-Center nicht aufbringen kann. Für den Anfang geeignet ist nicht jeder Beruf.

Ursula Engelschall im Gespräch mit einem Flüchtling aus Sri Lanka. Für die Hauptamtliche zählt bei der Beratung der zweite Blick
Ursula Engelschall im Gespräch mit einem Flüchtling aus Sri Lanka. Für die Hauptamtliche zählt bei der Beratung der zweite Blick. Sie ist sich sicher: In vielen Lebensläufen steckt viel mehr, als das Papier zunächst verrät.Fotos: Markus Brändli

Kirchheim. „Ein guter Lebenslauf entsteht durch Zeit und Vertrauen“, sagt Ursula Engelschall von der Chai-Beratungsstelle für Flüchtlinge in Kirchheim. Zeit, die das Job-Center nicht hat und Vertrauen, die in kurzer Zeit selten zwischen Flüchtling und Beratern aufgebaut wird. Doch gerade ein guter Lebenslauf öffnet viele Türen in der Berufswelt. Dafür beraten Haupt- und Ehrenamtliche aus Wirtschaft und anderen Bereichen im Jet-Café jetzt anerkannte Flüchtlinge – mit dem Ziel, diese schnellstmöglich in der deutschen Berufswelt unterzubringen.

Das Jet-Café hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Job-Center: „Wir können in den Gesprächen tiefer gehen“, sagt Engelschall: „Oft findet man Schätze, die im Normalfall untergegangen wären: Jemanden, der schon zwanzig Jahre lang in der Pflege gearbeitet hat oder einen, der schon drei Berufe gelernt hat – auf dem Papier steht aber nur einer.“ Solche Schätze möchte sie an die Oberfläche bringen. Denn tieferes Graben vermeidet Fehlentscheidungen: „Es gibt keine größere Katastrophe, als eine Arbeit, die nicht passt“, sagt Engelschall – sowohl für den Betrieb, als auch für den Flüchtling.

Zwischen Job-Center und Jet-Café sind klare Trennlinien gezogen. Erst das ermöglicht die erfolgreiche Zusammenarbeit: Für die Vermittlung ist das Center zuständig, bei allem davor und danach „Jet“ zur Stelle. Der Treffpunkt arbeitet auf freiwilliger Basis. Wer will, kann freitagvormittags einfach ins Café reinschneien. An der Rezeption gibt es Anmeldeformulare. Drei Tische stehen für persönliche Beratung bereit, Schilder mit „Stellensuche“, „Infos und Beratung“, „Bewerbungen“ weisen den Weg. Außerdem ist „Jet“ mit einer provisorischen Computer – und einer gemütlichen Sitzecke ausgestattet.

Die Zielgruppe sind anerkannte Flüchtlinge: Menschen mit Bleiberecht. „Viele können schon gut Deutsch“, erklärt die Hauptamtliche Engelschall – einige von ihnen sind schon seit fünf Jahren und länger in Kirchheim. Trotzdem sei nicht jeder Job für den Anfang geeignet: In der Altenpflege seien Grammatikfehler kein Problem, auch Mathe kenne keine Sprache. Viele Bürojobs hingegen fordern makellose Kenntnisse. Die Berufe, die die Flüchtlinge teils schon in ihren Heimatländern gelernt haben, sind vielseitig: Unter den Besuchern im Café sind Juristen, Marketingspezialisten, Bauingenieure.

Laut Volkhard Priß vom Bund der Selbstständigen in Kirchheim sind Sprachbarrieren die größte Hürde für Betriebe bei der Entscheidung, einen Flüchtling einzustellen. „In einem Handwerkbetrieb muss man einfach Deutsch können: Da kann nicht jeder Englisch sprechen“, nennt er ein Beispiel. Trotzdem haben schon zwei Mitgliedsbetriebe Interesse an Bewerbern angemeldet. Eine andere Sorge der Selbstständigen sei es, dass sie mit möglichen Problemen am Ende im Regen stehen gelassen werden – gerade die rechtliche Situation sei bei Flüchtlingen viel komplizierter. „Wenn diese Sorge weg ist, ist man eher bereit jemanden einzustellen“, sagt er.

Solche Ängste kennt Ursula Engelschall. Sie arbeitet schon seit Jahren in der Jobvermittlung, nicht selten auch mit Flüchtlingen. Bei Bedarf, erklärt sie, begleitet „Jet“ die Teilnehmer auch noch nach der Einstellung. Ihr Wunsch ist es, eine nachhaltige Stütze für beide Seiten zu bauen: Menschen, die das Know-How für deutsche Bewerbungen bei „Jet“ erstmal erworben hätten, könnten es auch an andere weitergeben.

Das Jet-Café ist jeden Freitag offen: Zwischen 10 und 13 Uhr sind Ansprechpartner im Café Eckpunkt, Hindenburgstraße 4, in Kirchheim vor Ort, um Flüchtlingen bei der Jobsuche zu helfen. Die Termine sind unverbindlich und freiwillig. Auch Betriebe, die Stellen zu besetzen haben, können sich dort melden.

Job -  Cafe f?r Fl?chtlinge, Hilfe beim Einstieg in den Beruf, Ehrenamtliche Fl?chtlingshilfe + Chai Cafe Eckpunkt
Job - Cafe f?r Fl?chtlinge, Hilfe beim Einstieg in den Beruf, Ehrenamtliche Fl?chtlingshilfe + Chai Cafe Eckpunkt