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Corona geht, Lauterbach kommt

Krankenhäuser Die Medius-Kliniken wappnen sich erstmals mit einer Doppelspitze für den Konkurrenzkampf am Markt. Die Reformpläne des Gesundheitsministers sind längst nicht die einzige Herausforderung. Von Bernd Köble

Fachbereiche, die zur nationalen Spitze zählen, Hightech-Medizin, die regelmäßig ausgebaut wird, und ein Investitionspaket für Neubauten in Nürtingen und Ruit, das es mit 80 Millionen Euro allein in diesem Jahr so noch nie gab. Doch reicht das? Wo sich die drei Medius-Kliniken im Kreis auf einer dreigliedrigen Leistungsskala, die Teil einer umfassenden Strukturreform sein soll, am Ende wiederfinden werden, ist die bange Frage, die sich die Klinikleitung stellt. Vor allem: Sichert dies auf lange Sicht noch ein auskömmliches Wirtschaften? 

Ein Blick zurück: Vor mehr als zehn Jahren begannen im Kreis die politischen Aufräumarbeiten in einer hochverschuldeten Kliniklandschaft. Aus fünf Standorten mit ähnlichem Angebot wurden drei. Daraus entwickelten sich spezialisierte Häuser, die ihre Investitionen inzwischen selbst erwirtschaften. Wenn fast 60 Prozent der deutschen Krankenhäuser im vergangenen Jahr rote Zahlen schrieben, dann sagt der Esslinger Landrat Heinz Eininger als Aufsichtsratschef der Medius-Kliniken: „Wir gehören nicht dazu.“ Wo es um mögliche Schließungen geht, meint er nur knapp: „Wir haben unseren Beitrag geleistet.“

Und trotzdem gilt: Nach der Pandemie ist vor der Reform. 19 Corona-Patienten liegen im Moment stationär noch in den Medius-Kliniken. Vor wenigen Wochen waren es bis zu 90. Die Stromschnellen, durch die die Krankenhäuser steuern müssen, haben nach Corona an reißender Kraft allerdings nichts eingebüßt. Im Gegenteil: Nach dem Ende aller staatlichen Hilfsprogramme, die das Virus auf den Weg gebracht hat, leiden viele Häuser noch immer unter den wirtschaftlichen Folgen. Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigte „Klinik-Revolution“ sorgt zusätzlich für Ungewissheit.

Für die Krankenhäuser im Kreis ginge es im Kern um den Status der Regel- und Schwerpunktversorgung und die damit einhergehende Finanzierung. Damit wäre man Bindeglied zwischen den kleinen Häusern, die eine Grundversorgung sicherstellen, und Großzentren, wie sie die Unikliniken darstellen. Dass es für diese zweite Stufe am Ende nicht reichen könnte, ist die große Sorge. Eininger: „Die Gefahr sehen wir.“

Die Medius-Kliniken begegnen solchen Herausforderungen nun erstmals mit einer Doppelspitze. Sebastian Krupp ist bereits seit März 2021 kaufmännischer Geschäftsführer und war zuvor Leiter der Klinik in Ruit. Er wird seit Januar von einem Mediziner unterstützt: Dr. Jörg Sagasser, seit fast zehn Jahren Medizinischer Direktor des Klinikverbunds im Landkreis rückt für die langjährige Stellvertreterin Elvira Benz in die Geschäftsleitung auf.

Sagassers medizinische Expertise dürfte gefragt sein, denn die Liste, die es abzuarbeiten gilt, ist lang. Dabei geht es längst nicht nur um die möglichen Folgen einer bisher nur vage skizzierten Strukturreform, die frühestens in fünf Jahren greifen könnte. Es geht um Themen wie Fachkräftemangel, Digitalisierung, Medikamentenknappheit, Inflation oder auch um den Kampf gegen überbordende Bürokratie, die manche Bereiche fast lahmlegt. Sagasser steht zwar seit zehn Jahren nicht mehr an der medizinischen Front, doch er weiß zu gut, wo sich das wichtigste Kapital verorten lässt. „Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Mitarbeiter nicht verbrennen“, warnt der 58-jährige Mediziner.

80 Vollzeitkräfte im „weißen Bereich“ haben die Medius-Kliniken 2022 geschafft einzustellen. 120 weitere sind für dieses Jahr geplant. Insgesamt arbeiten in den drei Häusern in Kirchheim, Nürtingen und Ruit inzwischen
 

„Unser Personal ist gleichzeitig Grundstein und die größte Herausforderung.
Sebastian Krupp
Der Klinik-Geschäftsführer über den Kampf, Mitarbeiter zu gewinnen und auch zu binden.
 

mehr als 2600 Vollzeitbeschäftigte. Personal-Leasing in sogenannten „Flex-Pools“, klar abgegrenzten Fachbereichen, ist inzwischen Alltag. Man „bespiele alle Kanäle“, betont Geschäftsführer Sebastian Krupp, um Mitarbeiter nicht nur aus dem europäischen Raum, sondern weltweit anzuwerben und möglichst auch längerfristig zu halten. Dabei ist die interne Ausbildung mit einem eigenen Pflege-Campus, wo bis zu 300 Nachwuchskräfte in der Ausbildung stecken, ein wichtiger Baustein.

Neuer OP-Roboter für Ruit

Am bisherigen Kurs festzuhalten und sich am Markt zu behaupten, heißt auch, weiter in medizinischen Fortschritt zu investieren. Im März soll in der Urologie in Ruit ein neuer OP-Roboter erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Er ermöglicht beispielsweise die Steuerung von Prostata-Operationen aus einiger Distanz am großflächigen Monitor. Ebenfalls neu in Ruit ist der Schwerpunkt Fußchirurgie in der Klinik für Unfall- und orthopädische Chirurgie, die vom neuen Chefarzt Dr. Micha Hoyer geleitet wird, der als bundesweit geachteter Experte auf diesem Gebiet gilt.

Jörg Sagasser und seine Kollegen sind nun gespannt, wie viel von den jetzt vorgestellten Reformplänen sich im Sommer in einem ersten Gesetzesentwurf wiederfinden werden. „Aus unserer Sicht ist das vorliegende Konzept überarbeitungswürdig“, stellt er fest. Wer bei solchen Korrekturen mit am Tisch sitzen sollte, sagt er auch: „Ins Expertengremium waren bisher weder Vertreter der kommunalen Kliniken noch der Länder eingebunden.“

Gasverträge laufen am Jahresende aus

Durch die Energiekrise sind die Medius-Kliniken bisher mit einem blauen Auge gekommen. Dank langfristiger Gas-Liefer­verträge, die immer noch günstige Konditionen sichern. Das dürfte sich am Jahresende allerdings ändern, wenn die Vereinbarungen beim Gas als wichtigster Energiequelle enden. Dann wird entscheidend sein, wie sich der Marktpreis entwickelt.
Seit 2018 versorgen moderne erdgasbetriebene Blockheizkraftwerke an allen drei Standorten in Kirchheim, Nürtingen und Ruit die Kliniken mit Strom und Wärme. Der Energiebedarf ist immens: Die drei Krankenhäuser im Kreis verbrauchen zusammen jährlich allein 20 Millionen Kilowattstunden an Strom. Einsparmöglichkeiten? Kaum vorhanden.
In Sonnenstrom wurde bisher so gut wie nicht investiert. Das soll sich in diesem Jahr mit einem umfassenden Investitionsprogramm für Photovoltaik ändern. Warum so spät? „Wirtschaftlich hat sich das bisher einfach nicht gerechnet“, stellt Klinik-Geschäftsführer Sebastian Krupp fest. „Die Investitionen in Medizintechnik hatten Vorrang.“  bk