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„Das Bier vollzieht einen Imagewandel“Nachgefragt

Weinsommelière Christiane Leibssle sieht keine echte Konkurrenz für den Wein – Edelbiere sind breitem Bevölkerungskreis nicht bekannt

Mittlerweile werden Edelbiere gebraut, wie das Dies Irae mit einem Preis von rund 20 Euro pro Flasche. Bier-Sommeliers ­beraten, welcher Gerstensaft am besten zu einem Fünf-­Gänge-Menü passt. Entwickelt sich Bier zu einem Konkurrenzprodukt für Wein? Antworten darauf liefert Weinsommelière Christiane Leibssle.

Christiane Leibssle
Christiane Leibssle

Daniela Haussmann

Frau Leibssle, die Bierbrauer lassen sich einiges einfallen. Ihre Produkte schmecken nach Karamell, haben eine Schokoladen-Note oder ein fruchtiges Mango-Aroma. Bekommt der Wein ernsthafte Konkurrenz?

Das Bier vollzieht einen Imagewandel. Allerdings steht die Branche hier noch am Anfang. Eine echte Konkurrenz für den Wein sehe ich deshalb nicht. Ich denke auch nicht, dass die Edelbiere einem breiten Bevölkerungskreis bekannt sind. Die Mehrheit greift sicherlich auf die gängigen Sorten, die der Einzelhandel anbietet, zurück. Außerdem ist es immer noch eine Geschmacksfrage, ob jemand lieber Wein oder Bier trinkt.

 

Oft ist zu hören, dass auch der Gerstensaft viele Aroma- und Geschmacksperspektiven bietet, aufgrund einer großen Spielwiese an unterschiedlichen Hopfen- und Malzsorten, Malzröstungen und Hefen.

Keine Frage, Bier weist an die 150 Aroma- und Geschmacksperspektiven auf. Das schafft Möglichkeiten für eine spannende Vielfalt. Beim Wein sind es allerdings über 600. Der Anbau, die Bodenzusammensetzung, das Klima, die Lagerung, die Maischetemperatur und die Fasswahl spielen dabei beispielsweise eine Rolle. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass der Wein vielfältigere Aroma- und Geschmacksperspektiven bietet.

 

Beim Bier liegt der Verbrauch pro Kopf und Jahr bei etwa 107 Litern, beim Wein sind es rund 21 Liter. Wird der Rebensaft bewusster konsumiert?

Wein hat einen höheren Alkoholgehalt. Ich denke, dass die Entscheidung, ob eine Flasche geöffnet wird, bewusster ausfällt. Gleichzeitig kann eine offene Flasche Wein im Gegensatz zu Bier ohne Geschmackseinbußen im Kühlschrank einen Tag, bei bestimmten Qualitäten auch länger, gelagert werden. Bier hingegen schmeckt dann abgestanden. Der geringere Alkoholgehalt von Bier trägt vielleicht dazu bei, dass schneller eine zweite Flasche geöffnet oder ein weiteres Glas im Lokal bestellt wird.

 

Kann es auch daran liegen, dass Wein vielleicht eher in einer geselligen Runde und zum Essen gereicht wird?

Wein ist sicherlich ein Getränk, das insbesondere auch bei feierlichen Anlässen getrunken wird und beim gemeinsamen Essen mit Freunden oder Bekannten. In diesen Zusammenhängen ist Wein, vielleicht stärker als Bier, für viele Menschen ein Genuss, den sie mit besonderen Anlässen verbinden.

 

Bierkenner verweisen mit Blick auf das Reinheitsgebot auf die hohe Qualität des Gerstensaftes. Wie sieht das beim Wein aus, bei dem immer wieder einmal vom Panschen die Rede ist?

Beim Wein gibt es Qualitätsstufen. Die höchste Qualitätsstufe weisen die Prädikatsweine auf. Darunter sind Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein zu verstehen. Qualitätsweine müssen gesetzliche Mindestanforderungen erfüllen, wobei das Mischen unterschiedlicher Rebsorten bei ihnen nicht ausgeschlossen ist. Im Gegensatz zu den Prädikatsweinen dürfen diese Weine zur Alkoholerhöhung angereichert werden. Deutscher Wein ohne Herkunftsbezeichnung oder einfach schlicht „Wein“ – bis 2009 als Tafelwein deklariert – bezeichnet die unterste Qualitätsstufe des Weins, die keiner besonderen Qualitätsprüfung bedarf, während der Landwein zur zweitniedrigsten Qualitätsstufe nach dem Tafelwein gehört. Wer also einen Wein trinken will, der eine hohe Qualität garantiert, sollte auf Prädikatsweine zurückgreifen.